© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


CD: BAP
Qualitätsverlust
Holger Stürenburg

Am Ende der 90er Jahre scheinen Crossover, Grunge, Alternative und schwarzer HipHop-Rock jene Rockklänge verdrängt zu haben, die unter dem Namen "Classic Rock" firmierten und die 70er und 80er Jahre mit blueslastigem Riffrock, wehendem Piano-Pop oder gitarrenbetontem Hardrock dominierten. Dies liegt nicht zuletzt daran, daß selbst altgediente Rock-Helden der Versuchung nicht widerstehen können, aktuellen Trends nachzuspüren, um bei Teenagern noch mal die schnelle Mark machen zu können. Doch bei der deutschen Rockformation BAP führen derartige Versuche zu einem massiven Qualitätsverlust, der viele ältere Fans vor den Kopf stoßen dürfte. Was sich bei ihrer Neueinspielung ihres 79er-Hits "Wahnsinn" im Verbund mit den Münsteraner Crossover-Krachmachern H-Bloxx im Jahre 1995 bereits andeutete, wird auf dem neuen Album der Kölsch-Rocker ("Comics & Pin-Ups", EMI) in grausamster Form hörbar.

Kaum eines der 13 neuen Lieder besitzt jene Mischung aus naivem musikalischen Charme und lyrischer Kopflastigkeit, die nahezu alle BAP-Hits zwischen "Verdamp lang her" (1982) und "Widderlich" (1993) auszeichnete. Bereits im Eröffner dröhnen die Gitarren in Rammstein-Manier los, übertönen die Texte von BAP-Kopf Wolfgang Niedecken ("Wat jeht uns die Sintflut ahn?"), die gleichen Instrumente schrammeln bei "Lena" haarscharf an jeglichem harmonischen Verständnis vorbei, bei "Do kapiers et nit" beginnt der inzwischen 52jährige Familienvater Niedecken gar zu rappen, und vor allem kommt 1999 auch textlich nicht allzu viel Innovatives ‘rüber. Zum 73. Male bewältigt Niedecken seine Jugend in Köln ("Hück ess sind Band in der Stadt"), ein Thema, das bei "Diss Naach ess aller drinn" (1984) höchst interessant klang, bei "Nit met Aljebra" (1987) noch ansehnlichen historischen Nachhilfeunterricht bot, jedoch bei "Domohls" (1990) bereits wie ein Selbstplagiat wirkte. Auch "Lena" oder "Josephine, sechs Uhr" hat Niedecken bereits mehrfach hymnisiert, nur hießen die Mädels damals "Anna" (1980) oder "Lisa" (1986). Nachdem der BAP-Chef in den letzten Monaten ständig wiederholte, seine Band sei nicht mehr der "Soundtrack zu Anti-AKW-Demos", fehlen auf "Comics & Pin-Ups" auch nahezu alle politischen Statements, die früher zur Diskussion ("Kristallnaach"), zum Mitgröhlen ("10. Juni") oder zum Nachdenken ("Drei Wünsch frei") anregten. Ein einziges textliches Highlight gelingt Niedecken: In "Miss Samantha’s Exklusiv-Discount-Jeschenkboutique" persifliert er die Vermarktbarkeit von allem und jedem, die schnelle Mark mit jedem noch so großen Unsinn.

Auch musikalisch ist "Miss Samantha" durchaus erträglich: Ein Gitarren-Pop-Stück, schnell, treibend, das jedoch wahrscheinlich auf jedem früheren BAP-Album höchstens in den Genuß eines "Bonus-Tracks" gekommen wäre. Es ist schade, daß ein so kreativer Kopf wie Niedecken auf seine alten Tage noch einmal eine derartige Verbeugung vor dem Zeitgeist durchführt wie auf "Comics & Pin-Ups". Inwieweit BAP – ein Begriff, den Teenies laut Niedecken für eine neue Versicherungsagentur halten – genau jene Spätgeborenen mit diesen neuartigen Klängen und textlicher Plattheit begeistern können, ist fraglich. Vielmehr werden sie mitgealterte Freunde abstoßen und dafür sorgen, daß auf ihrer für April/Mai anstehenden Deutschland-Tournee Rufe nach den alten Liedern lauter erschallen werden denn je.


 
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