© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    09/99 26. Februar 1999


Union: Saarlands CDU-Vorsitzender Peter Müller über die Strategie seiner Partei
"Keine wahltaktische Erwägung"
Karl P. Gergk

Sehen Sie die Gefahr, daß die SPD versucht, in der Frage des Staatsbürgerschaftsrechtes einen Dissens in der Union zu erzeugen und die CDU zu spalten?

Müller: Diese Gefahr sehe ich nicht. In der Union gibt es in der Frage der Ablehnung der generellen doppelten Staatsbürgerschaft einen breiten Konsens. Darüber hinaus sind Kompromisse zu suchen. Hier ist die SPD jetzt am Zug. Sie muß auf uns zukommen. Ich kann der SPD nicht raten, ihre Position, die im Gegensatz zur klaren Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung steht, einfach durchzusetzen. Dann wird sie scheitern.

Glauben Sie, daß ein Kompromiß mit der SPD – Stichwort Optionsmodell – für die CDU sinnvoll wäre?

Müller: Ich halte es jetzt nicht für sinnvoll, über einen möglichen Kompromiß zu diskutieren, gleich wie er aussähe. Es gibt die verschiedensten Modelle für eine Verständigung der Parteien in dieser Frage. Die SPD muß sich allerdings bewegen – und von ihren fixierten Standpunkten abrücken. Wir sind bemüht, einen Konsens zu finden. In Gesprächen kann man herausfinden, wo die konkreten Kompromißlinien liegen. Ich bin zuversichtlich, daß man hier zu einer Lösung in der Frage kommen wird, wenn die SPD das wirklich will.

Glauben Sie nicht, die CDU würde mit einem Kompromiß ein schlagkräftiges Argument für die kommenden Wahlkämpfe aus der Hand geben?

Müller: Die SPD hat mit ihrem Gesetzentwurf eine Polarisierung in der Bevölkerung herbeigeführt. Ich denke, daß es jetzt auch Sache der Sozialdemokraten ist, das Problem wieder zu bereinigen und eine vermittelnde Position einzunehmen. Die Ausländerproblematik ist ein ganz sensibler Politikbereich. Deshalb wäre es gut, wenn es gelänge, die Dinge im Konsens zu regeln. Es muß zwingend nach einer sachlichen Lösung gesucht werden. Dies ist vorrangig vor allen wahltaktischen Erwägungen.

Wird die Frage des Staatsbürgerschaftsrechtes in Ihrem Wahlkampf im August und September dieses Jahres eine wichtige Rolle spielen?

Müller: Das kann ich im Moment noch nicht eindeutig sagen. Es wird vor allem davon abhängig sein, inwieweit diese Fragen bis September von allen beteiligten Akteuren, den Parteien als auch verschiedene Gruppen und Vetretern der Ausländer geregelt worden sind. Im Vordergrund von Landtagswahlen, wie sie am 5. September im Saarland stattfinden, sollten vor allem landespolitische Fragestellungen stehen.

Wie ist denn die Unterschriftenaktion im Saarland bisher gelaufen?

Müller: Wir gehen hier einen eigenen Weg. Wir haben einen eigenen ausländerpolitischen Appell verabschiedet, der die Unterschriftenaktion ergänzt und integrationpolitisch wirken soll. Dieser ist Grundlage für unsere Aktionen zu dieser Thematik im Saarland. Wir beschränken uns hier nicht nur auf das Sammeln von Unterschriften. Unsere Aktionen weisen darüber hinaus. Wir bieten zum Beispiel Diskussionsforen an, in denen die ganze Breite der Fragen zu Integrationpolitik erörtert werden. Wir führen auch direkte Gespräche mit ausländischen Mitbürgern und besuchen deren Einrichtungen und Organisationen. Auf der Basis unseres ausländerpolitischen Appells besteht auch die Möglichkeit der Unterschriftsleistung, von der in großem Umfang Gebrauch gemacht wird.

Denken Sie nicht, daß mit den Krawallen der Kurden in Deutschland und ganz Europa wegen der Entführung Öcalans denen recht gegeben wird, die vor der Einbürgerung potentieller Terroristen warnen?

Müller: Jede Form der Gewaltausübung, auch die der kurdischen Aktivisten jetzt hinsichtlich des Schicksals des PKK-Führers Öcalan, ist zu verurteilen. Sie diskreditieren vor allem die Ausländerinnen und Ausländer, die seit Jahren friedlich in der Bundesrepublik Deutschland leben. Diese Gewalttaten sind ein zusätzlich negativer Aspekt in der Problematik und verschärfen die Sachlage obwohl sie eigentlich mit der Frage der Staatsangehörigkeit nichts zu tun haben. Es bleibt zu hoffen, daß die Kurden, die gewalttätig sind, wieder zur Vernunft kommen und sich auf Aktionen beschränken, die friedlichen Charakter haben.

Ist der Weg in Richtung CSU nach Ihrer Ansicht der richtige für die gesamte Union und eine Alternative zur "Neuen Mitte" der SPD?

Müller: Die CDU ist eine Partei der Mitte, und wenn sie mehrheitsfähig bleiben will muß sie auch ihr Wählerpotential aus der Mitte schöpfen. Sie muß dazu ganz klar Positionen der Mitte beziehen. Mit einem rein rechtskonservativen Profil wird die CDU bundesweit nicht erfolgreich sein können. Nicht alles was in Bayern paßt, ist auch in Gesamtdeutschland mehrheitsfähig.

Roland Koch war aber mit der Anlehnung an die CSU erfolgreich.

Müller: Das Wahlergebnis in Hessen hatte viele Ursachen. Da kam die Polarisierung durch die Unterschriftenaktion als ein Faktor hinzu, der sicherlich mobilisierenden Charakter für die CDU-Wähler hatte. Aber darüber hinaus waren es auch landespolitische Themen, die entscheidend zum Wahlausgang beigetragen haben. Roland Kochs eigene Vorstellungen zur Bildungspolitik und ein wirtschaftsfreundlicher Kurs waren da sicherlich mitausschlaggebend.

Es hat aber auch mit der generellen Politik der Bundesregierung zu tun – mit einhundert Tage Rot- Grün. Dieses Chaos in Bonn hat Roland Koch sicherlich geholfen und sich eindeutig im Wahlergebnis niedergeschlagen. Wahlen lassen sich heute nur noch ganz schwer miteinander vergleichen. Ich denke, Landtagswahlen unterscheiden sich deutlich von Bundestagswahlen und haben ihre eigenen Gesetze.

Können Sie sich mehr plebiszitäre Elemente in der deutschen Verfassung vorstellen, die etwa einen Volksentscheid zum Staatsbürgerrecht ermöglichen?

Müller: Die Frage des Volksentscheides ist grundsätzlich zu beantworten. Entweder ich bin generell gegen Volksentscheide auf Bundesebene, dann gilt das auch für den Bereich der Staatsangehörigkeit. Oder ich bin generell dafür. Ich habe damit keine grundsätzlichen Probleme.

Welches Konzept haben Sie, um der SPD Wähler abspenstig zu machen, wenn das Staatsbürgerrecht in ihrem Wahlkampf eine geringere Rolle spielen soll?

Müller: Das Saarland hat existentielle Probleme.Wir haben eine unterdurchschnittliche Wirtschaftsentwicklung und eine überdurchschnittliche Arbeitslosigkeit. Im Saarland wird die Partei mehrheitsfähig sein, die in diesen zentralen Bereichen – Wirtschaft und Arbeit – die besseren Lösungen anzubieten hat. Es gibt drei Leitthemen für unseren Wahlkampf im Saarland: Arbeit, Bildung und Europapolitik. Wer hier kompetenter ist, wird im Saarland die Mehrheit bekommen – und ich denke, daß wir hier auf einem guten Weg sind.

Haben Sie ein eigenes Europakonzept oder wollen Sie den Weg der Euroregion Saar–Lor-Lux weiter beschreiten, den Lafontaine in den letzten Jahren vorausgegangen ist?

Müller: Europakompetenz ist zunächst einmal Sprachenkompetenz. Wir sind die einzige Partei im Saarland, die aufgezeigt hat, wie Mehrsprachigkeit flächendeckend umgesetzt werden kann. Darüber hinaus haben wir klare Vorstellungen darüber, wie wir die interregionale Zusammenarbeit institutionalisieren und ausbauen können. Natürlich bleibt die interregionale Zusammenarbeit eine Perspektive für das Saarland.

Sie liebäugeln unverhohlen mit einer schwarz-grünen Koalition nach der Landtagswahl. Was reizt Sie an einer solchen Konstellation, die bundesweit einmalig wäre?

Müller: Große Parteien sind nicht gut beraten, wenn sie vor Wahlen über Koalitionen reden.Grundsätzlich müssen demokratische Parteien koalitionsfähig sein. Die Möglichkeit, ein gemeinsames Projekt anzugehen, ist ganz speziell abhängig von den politischen Aussagen vor der Wahl und natürlich von den handelnden Personen. Über Koalitionen wird aber erst nach dem Wahlentscheid gesprochen. Keiner kann heute sagen, welche der kleinen Parteien im saarländischen Landtag vertreten sein wird.

Haben Sie Rückendeckung aus Bonn für eine Annäherung an die Grünen?

Müller: Diese Frage stellt sich gegenwärtig nicht.

Ist es für Sie gegen Klimmt einfacher als gegen Lafontaine?

Müller: Persönlich wäre ich lieber gegen Lafontaine angetreten. Aber sich jetzt Gedanken darum zu machen, ist müßig. Reinhard Klimmt läßt in seiner Regierungpolitik jegliche neuen Akzente vermissen. Insofern hat sich an der inhaltlichen Diskussion wenig geändert.

 

Peter Müller wurde 1952 in Illingen (Saar) geboren. Mit 16 Jahren trat er in die Junge Union im Saarland ein. 1974 erlangte er das Abitur am Realgymnasium in Lebach. Zwischen 1975 und 1983 studierte er Jura und Politikwissenschaft in Bonn und Saarbrücken. 1983 wurde er Landesvorsitzender der Jungen Union Saar. Seit 1994 ist er Landesvorsitzender der CDU im Saarland und seit letztem Jahr im Präsidium der CDU Deutschlands.


 
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