© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


Jordanien: Husseins Nachfolger steht vor schweren Aufgaben
Janusköpfiger Herrscher
Helmut Müller

Jordanien trauert um seinen König Hussein. Staatsgäste aus der ganzen Welt trafen am Montag zum Begräbnis des Monarchen in Amman ein. Der Sarg mit den sterblichen Überresten wurde von sechs Prinzen aus Hussein Residenz Baab el Salam am Stadtrand von Amman getragen und acht Offizieren der jordanischen Armee übergeben. Der Sarg war mit der jordanischen Flagge bedeckt. Er wurde in ein mit weißen Blumen geschmücktes Militärfahrzeug gelegt.

Der kleine Haschemitenherrscher war vor allem ein Überlebenskünstler. Nicht nur hatte er mehrere Attentate überstanden und Staatsstreiche niedergeschlagen, sondern er mußte auch noch mit einem blutigen Bürgerkrieg (1970 gegen die Palästinenser) fertig werden. Zugegeben, ohne massive Hilfe der USA, insbesonders des Geheimdienstes CIA – auf dessen Gehaltsliste er gestanden haben soll – und ohne israelische Unterstützung hätte er es wohl nicht geschafft.

Des Königs Urgroßvater, Scheich Hussein ibn Ali, ein direkter Nachfahre des Propheten Mohammed, entstammte der Familie der Haschemiten, die ursprünglich in Saudi-Arabien beheimatet war. Während des Ersten Weltkrieges stachelte dieser die Beduinenstämme gegen die Osmanen auf und wurde dabei von den Engländern, die den Platz der Türken einzunehmen gedachten, unterstützt. Er und seine beiden Söhne Hussein und Feisal erhielten als Belohnung zwei neu geschaffene Königreiche: Faisal bekam Syrien (mußte aber später der Franzosen wegen an die Spitze des Iraks überwechseln), während Abdullah, der damals mit den Zionisten kooperierte, Transjordanien zugesprochen erhielt. Letzterer wurde 1951 ermordet, es folgte ihm sein Sohn Talal auf den Thron, auf dem er aber nur ein Jahr verblieb, um ihn umgehend an Hussein abzugeben.

Und nun war dieser König unglaubliche 47 Jahre im Amt. Ein Rekord in der arabischen Welt, wo Intrigen und Verrat an der Tagesordnung sind. Auch Hussein selbst beherrschte dieses Metier: 1973, vor dem Jom Kippur-Krieg, eilte er dienstbeflissen und Vorteile erhoffend zu Golda Meir nach Tel Aviv, um sie von dem bevorstehenden Angriff der Ägypter und Syrer zu informieren. Diese hatten Hussein in ihre Pläne eingeweiht, allerdings soll die israelische Regierungschefin seinen Worten keinen Glauben geschenkt haben. 1977 meldete die Washington Post, Hussein habe eine jährliche Subvention von Seiten des CIA erhalten.

Es dürften denn auch seine amerikanischen Freunde gewesen sein, die in entscheidender Weise hinter dem Kronprinzen-Wechsel standen. Gegen Hassan sprach in der Tat einiges, aber keineswegs dürfte sein eigenmächtiges Handeln während der Abwesenheit seines Bruders der wahre Grund seiner Zurückstufung gewesen sein. Schließlich hatte er diesen in der Vergangenheit schon häufiger vertreten.

Obwohl seit 1965 in der politischen Szene des Landes aktiv, hatte es Hassan nicht verstanden, aus dem Schatten seines Bruders zu treten; daß er populär wäre, kann man nicht sagen. Zwar westlich erzogen, hat er es zum Ärger Washingtons im engsten Kreis nicht an Kritik an der US-Nahost-Politik und an Israel mangeln lassen, und ganz offen hatte er sich US-kritisch in der Irak-Sache geäußert. Daß Bagdad jetzt die Vorgänge im Königshaus begrüßte, hat allerdings weniger mit Sympahtien für Abdallah zu tun, als vielmehr mit wirtschaftlichen Hintergedanken. Jordanien ist für das Regime im Irak ein wichtiger Handelspartner und ein unentbehrliches Transitland.

Amerikaner und Israeli können vieles hinnehmen, aber nicht, daß Jordanien destabilisiert wird, von daher schien der unsichere Kantonist und wenig populäre Hassan ibn Talal nicht ihr Kandidat. Allerdings ist für diese notwendige Stabilität auch Kronprinz Abdallah kein absoluter Garant. Denn obwohl mit einer Palästinenserin verheiratet, kann er den Palästinensern (immerhin 60 Prozent der Bevölkerung Jordaniens), vor allem der PLO auch – innerhalb der man insgeheim noch immer an ein "palästinensisches" Jordanien denkt – nicht ganz genehm sein.

Denn diese müssen befürchten, daß der "Sohn der Engländerin" (wie er vielerorts geringschätzig genannt wird) in die Fußstapfen seines Vaters treten könnte, und sie in der Folge weiterhin nur die zweite Geige im Lande spielen dürften.

Abdallah steht vor keiner leichten Aufgabe. Das Land, das wie ein Polizeistaat geführt wird, steht vor großen Problemen: Der Rezession der Wirtschaft steht eine demographische Explosion (der Palästinenser vor allem) gegenüber, die Arbeitslosigkeit überschreitet bereits 27 Prozent, der Stammeseinfluß fördert die Korruption, von Demokratisierung kaum eine Spur, und die Regierungen, die sich bald jährlich abwechseln, fanden bis heute kein Rezept dagegen. Sollten, zum Beispiel, Armut,Wassermangel und die Ungleichheit weiter zunehmen, wird Abdallah mehr als nur königliches Geschick brauchen, um zu überleben.

Dazu kommen die Intrigen am Hof, und in seinem Onkel Hassan, der im Staatsapparat erheblichen Rückhalt sowie die Sympathien der Königinmutter besitzt, hat er jetzt auch noch einen beachtenswerten Gegner in den eigenen Reihen. Abdallah mag ein vorbildlicher Soldat, gar Soldatenkönig sein, als ebensolcher Politiker und Diplomat wird er sich noch erweisen müssen, um das Königreich in das nächste Jahrtausend führen zu können.


 
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