© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/99 12. Februar 1999


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Hessen-Wahl: Martin Homann über die Unionskampagne und Roland Kochs Wahlerfolg
"Wir sind als CDU jetzt wieder da"
Karl-Peter Gerigk

Wie beurteilen Sie den Wahlerfolg von Roland Koch in Ihrem Heimatland Hessen?

Hohmann: Es ist ein großer Erfolg für Roland Koch und die Hessen-Union. Und es ist ein Stück weit Wende. Eine Wende deswegen, weil wir als Union in das mediale Abseits geraten waren. Oft haben die Bürger hier im Wahlkreis gesagt: "Von Euch hört man ja gar nichts mehr." Wir waren praktisch "weg". Durch diesen Wahlsieg sind wir als CDU wieder "da". Wir haben gezeigt, daß wir kampagnefähig sind, daß wir politikfähig sind und daß wir siegen können. Das ist nach dem Desaster der Bundestagswahl von unschätzbarem Wert.

Sie sagen, die Union sei kampagnefähig. War nach ihrer Ansicht die Unterschriftenaktion, betrachtet man das Wahlergebnis, auch die richtige Strategie?

Hohmann: Absolut ja. Als Mann mit Basisnähe habe ich von vornherein gesagt, diese Unterschriftenaktion ist der Zündsatz zu unserem Sieg. Zwei Zusatzbemerkungen: Erstens: Nicht wir von der Union haben dieses Thema losgetreten. Es war die neue rot-grüne Regierung. Sie wollte das blitzartig durchziehen. Nach dem Muster "neue Politik " ausdenken, im Bundesrat abnicken lassen und schon erledigt. Zweitens: Im Kern stand die Frage: Erhält auch der nichtintegrationswillige Ausländer die deutsche Staatsbürgerschaft fast als "Zwangsgeschenk"? Diese Frage haben die hessischen Wähler verneint. Zu dieser Frage sagt auch die CDU nein. Für die Wählerschaft ist der deutsche Paß mehr als ein Fetzen Papier. Die nationale Karte, vernünftig und moderat gespielt, hat gestochen und den Sieg gebracht. Das ist für die CDU eine neue Erfahrung. Daraus sollte sie lernen. Die CDU und die Wähler haben den Schmutzkübeln und "Maschinenpistolen" der "Meinungssoldaten" standgehalten (Walser). Die Moralkeule sauste nieder, aber siehe da, es tat gar nicht weh. Die Moralkeule verliert ihre Schlagwirkung. Und besonders wichtig: Der normale Deutsche macht nicht den langen Weg an den rechten Rand, weil er sich dicht bei der Mitte schon gut aufgehoben fühlte.

Wäre es jetzt nicht an der Zeit, auf das Angebot Otto Schilys einzugehen und einen Volksentscheid in dieser Frage durchzuführen?

Hohmann: Der Taktiker Schily will die CDU damit natürlich in Verlegenheit bringen. Die CDU tut sich mit diesem Thema nämlich schwer. Die Erfahrungen der Weimarer Republik lassen bei der CDU immer noch die Warnleuchten angehen. Persönlich meine ich, wir brauchen uns vor dem Volk nicht zu fürchten. Die Demokratie lebt von der Zustimmung der Mehrheit. Ich halte unsere Demokratie inzwischen für so stabil, daß sie sich auch bei Volksabstimmungen nicht durch Augenblicksstimmungen aus dem Gleichgewicht bringen ließe. Wir sollten ruhig etwas "mehr Demokratie wagen".

Jetzt hat die CDU bislang die plebiszitären Elemente jedoch meist abgelehnt, wie zuletzt bei der Entscheidung über den Euro?

Hohmann: Bei der starken, emotionalen Bindung der Deutschen an ihre liebgewonnene D-Mark und bei dem damaligen Stand der Informationspolitik wäre die Einführung des Euro von der Wählerschaft quer durch alle Parteien mit großer Sicherheit abgelehnt worden. Dies ist jedoch kein Argument dafür, Plebiszitäres grundsätzlich abzulehnen. Es sprießt in Ländern und Kommunen überall als zartes Pflänzchen. Bei der Einführung von Plebisziten muß natürlich darauf geachtet werden, daß ausreichende Quoren da sind. Im Ergebnis darf nicht eine medial unterstützte Minderheit die Mehrheit terrorisieren. Hochinteressant in diesem Zusammenhang: Josef Fischer, einst ein glühender Verfechter von Plebisziten, will heute "neu nachdenken", wenn die Plebiszite dem status quo oder der Mehrheit dienen.

Ist denn der Wahlsieg in Hessen mehr das Ergebnis der schwachen ersten 100 Tage von Rot-Grün oder würden sie dies der Person von Roland Koch zuschreiben?

Hohmann: Roland Koch ist hochintelligent, rhetorisch brillant und hat sich mit ungeheurem Engagement im Wahlkampf eingesetzt. Es ist schon ganz entscheidend sein Sieg. Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit. Andererseits können die Schwächen der rotgrünen Bonner Chaos-Combo nicht übersehen werden. Schröder ist anerkanntermaßen Weltklasse in Selbstdarstellung, in praktischer Regierungsarbeit reicht es allenfalls zur Kreisklasse. Bei Steuern und Finanzen war es Taktik der rotgrünen Regierung, die Wohltaten noch auf den Weihnachtstisch zu legen, die Rechnung, sprich: Energiesteuer erst zu Ostern zu präsentieren. Das war populistisch gedacht, ging aber wegen der vielen handwerklichen Fehler der neuen Regierung nicht auf. So erkennen die Menschen daß der Ausstieg aus der Kernenergie einfach nicht möglich ist, solange nicht exakt geklärt ist, woher ein Drittel der deutschen Stromenergie, sozusagen die Grundversorgung, tatsächlich kommen soll. Der vage Hinweis auf erneuerbare Energien und bisher ungenutzte Sparpotentiale reicht eben nicht. Die bornierte und ungestüme Hemdsärmeligkeit des Kernkraftgegners und kommunistischer Altkaders Trittin hat zudem die bürgerlichen Grün-Wähler verschreckt.

Ist es eine Strategie der CDU in Hessen, wie bei der CSU in Bayem, keine demokratische Partei mehr rechts neben sich zu dulden?

Hohmann: Ich denke, Roland Koch und sein Wahlstratege Jung haben sehr intensiv nach Süden gesehen. Dort ist die CSU ein überaus erfolgreiches Vorbild. Die bayerischen Wahlergebnisse sagen alles. Nichts ist so überzeugend wie der Erfolg. Roland Koch, der von Edmund Stoiber im Wahlkampf stark unterstützt wurde, sieht das wohl ganz ähnlich. Ich persönlich habe bei vielen Gelegenheiten gesagt: Von der CSU lernen, heißt siegen lernen.

Ist die Stimmung, zum Beispiel in Ihrem Wahlkreis, nach der Kampagne ausländerfeindlicher geworden?

Hohmann: Die Bezeichnung "ausländerfeindlich" hat mit der Realität in Deutschland nichts zu tun, Sie ist eine Beleidigung für das deutsche Volk. Es ist eine Unsinns- und Totschlagvokabel. Man muß sich nur fragen, warum die allermeisten Asylbewerber und sehr viele Ausländer nach Deutschland kommen? Doch nicht, weil sie hier offene Feindschaft vorfinden. Wir sind ein weltoffenes Land und ein tolerantes Volk. Wir wollen uns nur nicht von einer Minderheit sagen lassen, wer dazugehört.

Ist das Optionsmodel der FDP aus Ihrer Sicht eine Kompromißformel für das Staatsbürgerschaftsrecht?

Hohmann: Ich möchte der CDU ganz dringend davon abgeraten, sich auf diesen Kompromiß einzulassen. Zweierlei spricht dagegen. Erstens: die Sache ist nicht praktikabel. Was ist, wenn ein Jugendlicher, mit beiden Staatsbürgerschaften ausgestattet, mit 18 Jahren einfach nichts tut? Wenn er sich nicht entscheidet? Wir schieben unseren Behörden einen ungeheueren Arbeits-und Ermittlungsaufwand zu. Zweitens: Wenn die 18jährigen Doppelpaß-lnhaber zu Tausenden vor dem Parlament aufmarschieren und die Beibehaltung des Doppelpasses erreichen wollten, dann wäre das ein politischer Druck, dem viele kaum widerstehen könnten. Der Doppelpaß für Minderjährige wäre also ein verschleierter und zeitlich verschobener Einstieg in die allgemeine doppelte Staatsangehörigkeit. Der CDU/CSU-Vorschlag ist vernünftig. Danach erhält ein hier geborener und aufgewachsener Ausländer eine Einbürgerungszusage. Er hat dann mit 18 Jahren Anspruch auf den deutschen Paß. Die bekommt er, wenn er seine bisherige Staatsangehörigkeit ablegt.

Mit der Wahl in Hessen verändern sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat. Kann die CDU hier jetzt stärkeren Druck auf die Regierung ausüben?

Hohmann: Eine Blockade des Bundestages bei zustimmungspflichtigen Gesetzen ist den von CDU, CSU und FDP regierten Ländern nicht möglich. Aber statt bisher 38 der 69 Stimmen im Bundesrat entfallen auf die von der SPD allein oder mit anderen regierten Länder nur noch 33. Die bürgerlichen Parteien haben in der Länderkammer jetzt erst 21 Stimmen. Von einer Mehrheit, die bei 35 Stimmen läge, sind sie noch weit entfernt. Das hessische Wahlergebnis wird aber seine Wirkung als politische Lektion der Rot-Grün aber nicht verfehlen.

Wie kann und will die hessische CDU jetzt Einfluß auf die Bundespolitik nehmen?

Hohmann: Roland Koch trat im Wahlkampf für eine wertbezogene und konservative Politik im Grundsätzlichen ein. Andererseits steht er für innovative und wirtschaftsfreundliche Politik, die zu mehr, insbesondere zu mehr zukunftsweisenden Arbeitsplätzen führt. In diesem Sinne wird er weiter arbeiten. Wenn seine Mehrheit jetzt auch knapp ist, so bin ich doch optimistisch, daß er in vier Jahren eine Wiederwahl erreichen wird.

 

Martin Hohmann geboren 1948, ist seit dieser Legislaturperiode der Nachfolger von Alfred Dregger als direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag für den Wahlkreis 132 (Fulda, Lauterbach, Schüchtern). Nach seinem zweiten juristischen Staats-examen begann er eine Karriere bei der Kriminalpolizei. Zuletzt arbeitete er beim Bundeskriminalamt in der Abteilung Terrorismus. 1994 wurde er Bürgermeister von Neuhof bei Fulda.

 

Interview-Partner der JUNGEN FREIHEIT

Autoren der JUNGEN FREIHEIT


 
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