© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/99 05. Februar 1999


Parteien: Die SPD auf der Suche nach Umgangsformen mit der PDS
Da gibt es viele Grautöne
Ronald Gläser

Mitten in der tiefsten roten Provinz, in Brandenburg, liegt nördlich von Berlin die Ortschaft Wandlitz. Vor zehn Jahren residierte hier noch die SED-Führung, heute sagen sich in dem beschaulichen Dorf Fuchs und Hase Gute Nacht. Die CDU kommt in dem Wahlkreis nicht mal auf 20 Prozent der Stimmen. In der einzigen Dorfschule trafen auf einer SPD/PDS-Veranstaltung vergangenen Freitag der SPD-Abgeordnete Markus Meckel und der PDS-Chefideologe und Ex-Wahlkampfleiter André Brie aufeinander. Meckel wollte sich der PDS stellen, nachdem er im November mit drei Genossen einen Gespächskreis gegründet hatte, der sich gegen eine Koalition mit der PDS ausgesprochen hat.

Schon das Durchschnittsalter der Anwesenden verrät einiges über die vermeintlichen Ansichten im Saal. Ein Mann fortgeschrittenen Alters, der dem ehemaligen Staatsratsvorsitzenden Honecker verdammt ähnlich sieht, stellt sich als "ehemaliger NVA-Offizier" vor und bezichtigt Meckel, seinetwegen sei die SPD gar keine linke Partei mehr, sondern rücke immer weiter nach rechts. Brie unterstützt den Genossen leidenschaftlich und definiert die Grünen als "echte liberale Partei in Deutschland". Die Grundstimmung in Deutschland sei ohnehin sehr konservativ, so könne die CDU zum Beispiel für ihre "schreckliche Aktion" die Unterschriften auf offener Straße sammeln: "Wenn wir eine Unterschriftenaktion für die Abschaffung der Arbeitslosigkeit machten, würde das doch gar keiner wahrnehmen."

Meckel redet über Schröder, über die Neue Mitte und über die Grünen. "Politik ist nicht nur schwarz und weiß, da gibt es viele Grautöne. Man kann auch nicht alle Probleme in wenigen Wochen lösen." Das will hier keiner hören. Beifall gibt es erst wieder, als Brie zu Hochform aufläuft. Er ereifert sich über alles, was die Linke so unzufrieden macht: die Autonomie der Großbanken, insbesondere der Bundesbank, die unversteuerten Devisenspekulationen, die Hegemonialpolitik der NATO auf dem Balkan.

Meckel wird in die Enge getrieben. Auf einmal fühlt er sich mißverstanden. Daß die Koalition mit der PDS in Schwerin wieder aufgelöst werden müßte, habe er gar nicht so gemeint. Und "in konkreten Fragen" könnten sich PDS und SPD ja auch einigen. Ein fairer Umgang mit der PDS ist für Meckel "integraler Bestandteil der parlamentarischen Demokratie". Die Zahl der Interessenten an seinem Gesprächskreis liege unter 1.000, was viel Spielraum für Interpretationen läßt. Aber er sei kein Einzelkämpfer, es gebe viele, die sich nicht öffentlich äußerten, obwohl sie gegen eine Kooperation mit der PDS seien.

Für die Zuhörer, deren Mehrheit der PDS angehört, zählen auch derart nette Floskeln nicht viel. Schließlich geht es um die Sache. Ein etwa 60jähriger, der sich als Professor vorstellt, hat herausgefunden, daß die Lage in allen "kapitalistischen Staaten sehr bedrohlich ist." Ein anderer stellt fest, daß Kapitalismus und Arbeitslosigkeit zusammengehörten. Da hakt André Brie noch einmal nach: "Reparaturen am kapitalistischen System reichen uns nicht aus." "So ist es", brüllt einer von hinten. Und als Sozialdemokrat Meckel "noch einen kurzen Satz" sagen möchte, brüllt ein anderer "Aufhören!"


 
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