© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    06/99 05. Februar 1999


Serbische Sackgasse
von Peter Lattas

Serbien hat sich im Kosovo in eine ausweglose Lage verrannt. Auf dem Wege der Repression kann Belgrad nicht mehr verhindern, daß ihm die Südprovinz Zug um Zug entgleitet. Die in den dreißiger Jahren erprobte Methode Cubrilovic greift nicht mehr – der Versuch, das Gros der Albaner mit Polizei- und Militärgewalt einzuschüchtern, zu vertreiben und zu massakrieren würde unweigerlich zum Aufstand und zum Ende der serbischen Restvolksgruppe selbst führen. Denn die Albaner sind inzwischen bewaffnet.

Daran ist keine der in der Belgrader Polit-Mythologie beliebten Verschwörungen schuld, sondern Milosevic selbst. Die Gleichschaltung der nur noch formell autonomen Provinzverwaltung Ende der 80er Jahre schuf die Bedingungen für die Entstehung der von Exilalbanern finanzierten Untergrundstrukturen, die die albanische Volksgruppe zunehmend vom Gesamtstaat abkoppelten und in der Formierung einer Freischärler-Truppe gipfelten.

Belgrad kann die militärische Auseinandersetzung mit den Kosovo-Albanern nicht gewinnen, weil es die demographische verloren hat. Mit der Aufwertung zur eigenständigen Republik und einer geschickten Diplomatie, die die Clanrivalitäten zwischen Kosovo-Albanern und den Bewohnern des Mutterlandes ausnutzt, wäre das Kosovo vielleicht für den serbischen Gesamtstaat zu retten gewesen. Statt dessen opferte Milosevic die Autonomie. Das war eine – wenn auch populäre – nationalromantische Trotzreaktion. Schließlich ist Kosovo "unser Jerusalem": Die Wiege des verklärten mittelalterlichen Reiches der Serben, die Grablege seiner heiligen Könige; von hier aus bewahrte die orthodoxe Kirche die nationale Identität der Serben, nachdem das Reich und seine politischen Eliten ihre letzte Schlacht verloren hatten und den Osmanen gewichen waren. Historisches Recht gegen demographische Übermacht – diese Antinomie ist beinahe so alt und ausweglos wie die jüdisch-palästinensische. Da gibt es keine "saubere" Lösung. Um eine solche geht es den Amerikanern auch nicht. Sowohl Albaner als auch Serben sind ihnen herzlich egal. Washington will einen Präzedenzfall schaffen: Ein Ermächtigungsgesetz für die NATO, eine Lizenz zum Töten für die Weltpolizei.

Vor diesem Hintergrund ist die Dienstbeflissenheit, mit der Schröder und Fischer den USA die Dienste deutscher Flieger, Panzer und Infanteristen antragen, geradezu pervers; Kohl und Rühe hätten sie dafür gesteinigt. Im übrigen: Solange die Großväter der in Frage kommenden Soldaten als Mörder und die Wehrmacht als verbrecherische Organisation diffamiert werden, ist der für einen solchen Einsatz zu erwartende Hilfssheriffstern in der Tat nicht die Knochen eines einzigen deutschen Grenadiers wert.


 
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