© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    05/99 29. Januar 1999


Freie Universität Berlin: Studenten diskutieren Bernd Rabehls Rede
"Macht sie fett und impotent"
Karl-Peter Gerigk

Kontrovers diskutierten die Studenten und Kollegen von Bernd Rabehl in seinem Seminar die Thesen, die der Hochschulprofessor und Alt-68er bei den Bogenhausener Gesprächen zu den nationalrevolutionären Ansätzen seiner Jahre mit Rudi Dutschke geäußert hatte (siehe Dokumentation JF 53/98).

Rabehl schien vor seinen Studenten bemüht, der zum Teil massiven inhaltlichen Kritik an seiner Rede von Medien- und Kollegenseite entgegenzutreten. Hierbei wird ihm vorgeworfen, er suche als alternder Linker nun die "rechte Nische" (taz), um seine Ideen zu verbreiten.

In seiner Rechtfertigung vor den Studenten zitiert Rabehl verschiedenste Theoretiker, um sein Konstrukt von einer durch die amerikanische Kultur und angloamerikanischen Imperialismus durchsetzten Gesellschaft, welche die deutsche Identität in ihren Grundfesten erschüttere, zu untermauern.

Er bemüht Ernst Fraenkel, der davon ausgeht, daß zum Beispiel die verschiedenen Rechtsformen der Staaten aus nationalen Traditionen entstanden sind, und daß man also nicht ein amerikanisches Normen- und Rechtsverständnis auf die deutsche Gesellschaft propfen könne. Auch bedient er sich bei Herbert Marcuse und seiner Kritik an den amerikanischen Reeducationplänen nach dem Zweiten Weltkrieg, die er unter der Formel "Macht sie (die deutschen Eliten) fett und impotent" faßt.

Die Trennung der Eliten von der Tradition und von den alten Eliten überhaupt sei in der Bundesrepublik von 1999 geglückt. Zudem werde seit der Wiedervereinigung Gesamtdeutschland nicht etwa bestimmt durch eine souveräne Politik und Selbstbewußtsein, sondern von einer "devoten Haltung gegenüber der Weltmacht USA", so Rabehl. Die von den USA propagierte multikulturelle Gesellschaft sei eine Utopie und Amerika für uns hierin sicherlich kein Beispiel. Auch funktioniere die Integration in den USA eben nicht. Die Lage Amerikas sei auch nicht auf die deutschen und europäischen Verhältnisse übertragbar. "Die verschiedenen Menschen verteilen sich in einem wesentlich größeren Raum. Und dort, wo sie zusammenstoßen, existieren Gegensätze. Die Chinesen machen gegen die Schwarzen mobil, die wiederum gegen die besitzenden Juden in den USA und gegen das Kapital." Wie in anderen Staaten sieht Rabehl die Gefahr der reinen Imitation des US-Konsumverhaltens, das oberflächlich ist und mit seiner "ex und hopp"-Mentalität die kulturellen Grundlagen des deutschen Volkes langfristig zerstören würde. Als Beispiel führt er das ihm bekannte Süd- Amerika an, insbesondere Brasilien, und beklagt das Fehlen von eigener Kultur.

An den Verhältnissen in Deutschland kritisiert Rabehl, daß die politischen Parteien in Deutschland vor allem bei Erziehung des Volkes zu demokratischer Partizipation versagt hätten. Nicht die Qualifikation des Politikers entscheide über seinen Aufstieg zur Macht, sondern seine Nähe zum politischen Protagonisten, zum Beispiel zum Minister. Die Folge sei, daß vor allem Dilettanten an die Macht kommen, die wiederum wegen fehlender Fachkompetenz zu politischen Fehlentscheidungen neigen würden. "Die Parteiendemokratie ist abgewirtschaftet", so Rabehl. Dennoch bietet er keine Alternativkonzepte an.

Der von Studentenseite vorgebrachte Vorwurf einer nationalkonservativen Haltung wird sicherlich zu Unrecht erhoben. Richtig wird jedoch seine argumentative Nähe zu Carl Schmitt bestimmt.

Wie ein Weltuntergangsszenario muten seine Thesen zur Mobilisierung der ökonomischen wie mentalen Ressourcen der Staaten Mitteleuropas für einen von den USA beabsichtigten Krieg an, an dem Deutschland und die Bundeswehr sich beteiligen solle. Sei es im Kosovo oder im Irak. Schon im Vietnamkrieg hätte die damalige US-Regierung auf deutsche Beteiligung gedrängt. Dies sei nur Teil einer amerikanisch-imperialistischen Politik, die ohne sich an das Völkerrecht zu halten vor allem militärisch auftritt, um den Regionalmächten wie Rußland zu demonstrieren, daß sie ohne jegliches Mandat weltweit und frei agieren kann.

Die stärkste Kritik jedoch von Seiten der Studenten seines Seminars bezieht sich auf die Art und Weise der Publikation seines Vortrages. Es sei unverantwortlich und gefährlich, vor einer schlagenden Studentenverbindung zu reden.


 
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