© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


Schiffsunglück: "Pallas"-Untersuchungsausschuß eingerichtet
Pleiten, Pech und Pannen
Gerhard Quast

Ganz oben auf der Liste der Schuldigen steht Schleswig-Holsteins Umweltminister Rainder Steenblock (SPD). Er soll bei der Havarie der brennenden "Pallas" zu zögerlich gehandelt haben. Sein Engagement sei mehr als dürftig gewesen, Versäumnisse bei der Verhinderung der Umweltkatastrophe gingen auf sein Konto, so seine politischen Gegner. Tatsächlich ist die mißglückte Bergung des Holzfrachters eher eine Aufeinanderfolge von Pannen und Mißverständnissen, die sich über Wochen hinzogen und so ermöglichten, daß der Öl spuckende und führerlose Holzfrachter in deutsches Hoheitsgebiet treiben und dort ungeahnte Zerstörungen verursachen konnte.

In Brand geraten war der unter der Flagge der Bahamas fahrende Frachter am 25. Oktober letzten Jahres vor der dänischen Nordseeküste. Tagelang trieb er auf der aufgewühlten See, weil Bergungsversuche scheitern. Erst war ein leistungsstärkerer Schlepper nicht verfügbar, dann konnte er nicht mehr eingesetzt werden, weil die "Pallas" in flachere Küstenbereiche südwestlich vor Amrum trieb und dort auf Grund ging. Weitere Bergungs- und Schleppversuche blieben erfolglos. Einer niederländischen Firma gelingt es schließlich, mit einer aus Rotterdam herbeigeschleppten Hubinsel drei Wochen später das Feuer zu löschen und den Austritt noch größerer Mengen von Schwer- und Dieselöl zu verhindern. Zwischenzeitlich war die "Pallas" zum Wrack erklärt worden. Eine vollkommene Bergung erscheint wenig sinnvoll, weil die "Pallas" bereits zwei Meter in den Untergrund versunken ist, so daß sie erst einmal vor Amrum liegen bleiben wird, als Symbol für die Gefahren, die auch weiterhin für das Wattenmeer ausgehen.

Die vorläufige Bilanz der Haverie ist düster: Ein Mitglied der Besatzung starb, als die Crew von Bord geholt wurde. Schätzungsweise 60 Kubikmeter Öl liefen aus dem gestrandeten Wrack ins Meer und verschmutzten die Strände der Nordseeinseln Amrum, Sylt, Föhr, und Hooge. Etwa 870 Tonnen Öl-Sand-Gemisch mußten von den Stränden beseitigt werden. Insgesamt 16.000 Seevögel starben an Ölverschmutzungen, mehr als jemals zuvor durch einen Ölunfall im Wattenmeer. Besonders betroffen sind Vögel, die sich ständig im Wasser aufhalten: Rund 11.400 Eiderenten und 3.700 Trauerenten, sowie mehrere Dutzend Austernfischer, Baßtölpel, Silbermöwen und Sterntaucher fielen dem Ölteppich zum Opfer. Die Gesamtkosten für die bisherigen Bergungsarbeiten und die Reinigung der Strände werden mit rund 14 Millionen Mark veranschlagt. Die Versicherung des italienischen Reeders übernimmt davon lediglich 3,3 Millionen Mark. Da die Reederei die "Pallas" zur eigenen Absicherung als selbständige "Firma" laufen ließ und diese nun Pleite gemacht hat, bleibt der Staat, in dessen Hoheitsgewässern das Unglück passierte, auf den restlichen Kosten sitzen. Im Falle der "Pallas" werden sich die Küstenländer die Bergungskosten teilen.

Um die Verantwortlichkeiten nachträglich zu klären, hat der Landtag von Schleswig-Holstein jetzt einen Untersuchungsausschuß eingesetzt. Die Parlamentarier wollen bis zur Sommerpause die Versäumnisse beim Kampf gegen die von der "Pallas" ausgegangene Ölverschmutzung offenlegen. Auf der Liste der Zeugen, die in den kommenden Monaten vorgeladen werden, steht ganz oben Umweltminister Steenblock.

Doch die in der Arbeitsgemeinschaft Nationalpark (AGN) zusammengeschlossenen Landesverbände des BUND, NABU und WWF, sowie der Naturschutzverein Uthlande, die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft und die Schutzstation Wattenmeer haben den angegriffenen Minister vorsorglich in Schutz genommen und bei der Suche nach Schuldigen vor "falschen Propheten" gewarnt: "Wer das ganze Jahr über durchs Land zieht und gegen mehr Naturschutz wettert, der ist einfach nicht glaubwürdig, wenn er nun plötzlich den Umweltheiligen spielt und den Rücktritt des schleswig-holsteinischen Umweltministers fordert", meint Hans-Ulrich Rösner vom WWF. Und NABU-Vertreter Hermann Schultz ergänzt: "Wer mehr von den Umweltministern möchte, der muß sie politisch unterstützen." Die AGN fordert deshalb, die "parteipolitischen Spielchen" zu beenden und sich die Frage zu stellen, wie die Nordsee-Anrainer Havarien dieser Art verhindern können.

Welche konkreten Schritte unternommen werden müßten, hat der WWF bereits dargelegt: Neben der Einrichtung einer zentralen Küstenwache mit mobilen Einsatzgruppen in der Verantwortung des Bundes und einer Verschärfung des internationalen Seerechts hinsichtlich der Sicherheitsstandards fordert der WWF desweiteren einen effektiven Schutz auf See statt rechtsfreier Räume, beispielsweise indem das Wattenmeer mit seinen seewärts angrenzenden Gebieten als "Besonders Empfindliches Meeresgebiet" (PSSA) im Sinne der Internationalen Schiffahrtsorganisation (IMO) ausgewiesen wird. Dann bestünde die Möglichkeit, Schiffahrtsrouten vorzuschreiben oder Vorsorgemaßnahmen wie Eskortpflicht für Problemschiffe zu treffen. Eine Einigung in diesem Sinne, so wünschenswert sie wäre, ist aber eher unwahrscheinlich. Bisher gibt es weltweit nur zwei PSSAs: das australische Große Barriere Riff und das kubanische Saban-Camarguey Archipel.


 
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