© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/99 22. Januar 1999


CSU: Wolfgang Zeitlmann über die rot-grünen Regierungspläne zur Einbürgerung
"Das ist zutiefst undemokratisch"
Karl-P. Gerigk

Herr Zeitlmann, Sie und die CSU kritisieren massiv das Vorhaben der SPD zur Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Was wollen Sie denn anders machen?

Zeitlmann: Grundsätzlich geht es darum, die generelle doppelte Staatsbürgerschaft zu vermeiden. Wir sind dagegen, daß es dauerhaft möglich ist, neben dem deutschen Paß auch noch einen oder mehrere weitere zu besitzen. Das führt zu Ungleichheit zwischen denen, die nur einen, den deutschen Paß besitzen, und denen, die mehrere Pässe haben.

Sind Ihnen die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, also Straffreiheit, genügend Deutschkenntnisse und die Treue zur Verfassung hinreichende Bedingungen?

Zeitlmann: Prinzipiell würde ich eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz für diejenigenvorsehen, welche die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Das kann längerfristig verhindern, daß potentielle Terroristen und Aktivisten, die unsere Verfassung nicht akzeptieren oder noch fundamentaler für andere Systeme eintreten, eingebürgert werden und in den Genuß der Vorzüge einer deutschen Staatsbürgerschaft gelangen.

Wie kann verhindert werden, daß die Bedingungen für die Einwanderung später im realen Verwaltungsablauf zu lasch gehandhabt werden?

Zeitlmann: Es kommt ganz eindeutig auf die Formulierung des Gesetzestextes an. Hier muß die Bundesregierung klar Stellung beziehen und das gegebenenfalls mit eindeutigen Anweisungen für die Umsetzung versehen. Eine fromme Zusicherung der Verfassungstreue von Einzubürgernden ist hier nicht ausreichend. Aber ein Gespräch mit einem Beamten, der zum Beispiel die Deutschkenntnisse überprüft, ist hinreichend.

Wird mit den Voraussetzungen für die Einbürgerung auch eine Integration der Ausländer gewährleistet, oder kommt es dennoch wie zum Beispiel in den USA zu sozialen Verwerfungen und Gettobildungen?

Zeitlmann: Ein zweiter Paß ändert ja an den kulturellen und sozialen Bindungen der Zuwanderer nichts. Sie bleiben verhaftet in ihren Traditionen. Die Konflikte zwischen den einzelnen Einwanderergruppen untereinander und zwischen Deutschen und Ausländern bleiben. Das ändert ein zweiter Paß nicht. Wichtiger ist hier eine umfassende Integrationspolitik.

Die "Jungen Wilden" der CDU haben Stoiber erwidert, auch Deutsche könnten potentielle Terroristen sein. Das hinge nicht von der Abstammung ab, sondern von der Motivation, wie bei der RAF und ähnliche Gruppierungen in den siebziger Jahren. Was soll nach Stoiber einen Türken eigentlich potentell krimineller machen?

Zeitlmann: Wenn ich schon eigene Terroristen und Anarchisten im Land habe, brauche ich mir nicht zusätzlich noch weitere ins Land zu holen. Das scheint mir logisch zu sein. Natürlich ist ein Türke grundsätzlich nicht krimineller als ein Deutscher. Aber wenn er einer fundamentalistischer Organisation zuneigt oder Mitglied ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, daß er auch zu Gewalt neigt. Bei einem aufgeklärten Mohammedaner brauchen wir hingegen keine Furcht zu haben, daß er gegen die Grundfesten unseres Staates aktiv wird. Eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz könnte da eben ausreichende Information geben. Die Ausländerkriminalität ist allerdings überproportional hoch. Ich denke, alleine aus diesem Grund ist erhöhte Vorsicht davor geboten, viele Ausländer ins Land zu lassen und einzubürgern.

Kritiker der Umfrageaktion meinen, die CDU/CSU schüre mit ihrem Vorhaben die Ausländerfeindlichkeit.

Zeitlmann: Das ist sicherlich nicht der Fall. Man kann doch nicht von der Frage "Sind sie für oder gegen die doppelte Staatsbürgerschaft?" auf Ausländerfeindlichkeit schließen. Das gilt für den Fragesteller genauso wie für den Bürger, der die Antwort gibt. Es geht ja um Sachfragen. Wenn ich mich also gegen die doppelte Staatsbürgerschaft als Deutscher entscheide, bin ich noch kein Ausländerfeind. Auch die Frage nach der Entscheidung stellt in meinen Augen keine Mobilmachung gegen Ausländer dar, sondern dient der Klärung und Diskussion um den Gesetzesentwurf der Regierung beleben. Die eigentliche Emotionalisierung kommt doch von Seiten der Regierung, durch unsinnige Entscheidungen im Ausländerrecht, die nach Umfragen zum Beispiel der Forschungsgruppe Wahlen dem Mehrheitswillen der Deutschen widersprichen. Solch eine Vorgehensweise fördert den Dissenz in der Bevölkerung, nicht die Umfrageaktion.

Die SPD hat schon vor der Wahl von der Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts gesprochen, und sie hat die Mehrheit im Parlament.Ist die Entscheidung der Bundesregierung für eine Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft denn überhaupt gegen die Volkesmeinung?

Zeitlmann: Die aktuellsten Umfragen sprechen davon, daß 53 bis 57 Prozent der Bürger gegen die doppelte Staatsbügerschaft sind. Das ist eindeutig. Auch die Mehrheit der Mitglieder der SPD ist nach diesen Ergebnissen nicht für die generelle doppelte Staatsbürgerschaft. Die Regierung setzt sich über die Meinung im Volk zu dieser Sachfrage hinweg. Das ist zutiefst undemokratisch.

Spekuliert die SPD darauf, sich mit der Einbürgerung die neuen Bürger als neues Wählerpotential sichern?

Zeitlmann: Da werden sich die Spitzen der Sozialdemokraten aber schön täuschen. Ein Kenner des Islam, Peter Scholl-Latour, hat mir gegenüber erklärt, daß die Strukturen des Islam eher konservativ seien. Ein gläubiger Moslem wird sich eher mit einem gläubigen Christen als mit einem linken Atheisten verständigen. Es ist eher so, daß die konservativen Islamisten dem Lager der Christdemokraten zuneigen als dem der Sozialdemokraten. Und daß sie von dieser Regierung den deutschen Paß bekommen haben, wird sie nicht dazu motivieren, gegen ihre Überzeugungen zu stimmen

Peter Altmaier sagte gegenüber unserer Zeitung, die Kultur eines Landes werde dadurch bestimmt, welche Menschen im Land leben. Die Verfassung wurde jedoch vor einem eindeutigen kulturellen Hintergrund formuliert. Entsteht hier nicht eine Diskrepanz zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit? Wird das Grundgesetz hier ausgehebelt?

Zeitlmann: Natürlich werden die Probleme nicht kleiner, wenn verschiedene Kulturkreise in einem Land leben. Doch die Treue zur Verfassung muß gewähleistet sein. Darüber hinaus gibt es die Toleranz der Christen in der heutigen Gesellschaft gegegnüber den Moslems. Aber diese Tolerenz muß gegenseitig sein. Es geht nicht an, daß sich der fundamentalistische Islam in unserem Staat ohne weiteres verbreitet. Wir leben in einer christlich-abendländischen Kultur in Deutschland. Und aufgrund dessen ist unsere Verfassung und unser Rechtsystem entstanden.

Stimmen Sie mit der Idee Jürgen Rüttgers’ überein, an deutschen Schulen vermehrt den Islam und Koran unterrichten zu lassen?

Zeitlmann: Das machen wir in Bayern jetzt schon. Dies sogar mit einigem Erfolg. Es gibt jedoch Meinungsverschiedenheiten, ob die Lehrer hierfür an deutschen Universitäten ausgebildet werden müssen, es also neue Lehrstühle braucht. In Bayern wird dieser Unterricht in arabisch durchgeführt. Soll dieser jetzt in deutsch durchgefüht werden müßten 800 neue Lehrer eingestellt werden. Dies ist sicherlich auch ein Kostenproblem. Daß sich durch diesen Unterricht fundamentalistische Ideen nicht verbreiten, ist eine Frage der Länder und deren Schulaufsicht. Grundsätzlich ist es aber gleichgültig, wie ich finde, ob der Unterricht nun von einem Christen oder einem Moslem durchgeführt wird. Er muß nur hinreichend qualifiziert sein.

Wenn sich die gelebte Kultur ändert, dem Islam breiterer Raum eingeräumt wird, und immer mehr Fremde die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen können, ist da das Abstammungsrecht für die Einbürgerung nicht erledigt?

Zeitlmann: Nein. Das Abstammungsrecht ist eine Errungenschaft des republikanischen Zeitalters. Früher bestimmte der Fürst, wer in seinem Land leben durfte. Mit dem 19. Jahrhundert und der Überwindung der Kleinstaaterei in Deutschland rückte die Abstammungsfrage ins Zentrum der Nations- und Staatenzugehörigkeit. Es besteht kein Anlaß, dies nun über Bord zu werfen.

Wenn die Umfrageaktion nicht die bisherigen Positionen der Union verändert, soll sie dann aber nicht doch die Wähler und Emotionen am rechten Rand bewegen?

Zeitlmann: Gewählt wird erst in etwa vier Jahren wieder, und die Methode der Unterschriftenaktion ist ein legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung um eine Sachfrage. Der Bürger hat das Recht, seine Meinung kundzutun. Die Linken haben dies selbst jahrelang in Form von Ostermärschen und Unterschriftenaktionen zu vielen Themen praktiziert. Wenn wir das jetzt tun, ist das mindeststens genauso gerechtfertigt.

 

Wolfgang Zeitlmann gehört seit 1987 für die CSU dem Deutschen Bundestag an. 1941 in Prien im Kreis Rosenheim geboren, studierte er nach dem Abitur Jura an der Universität München. Seit 1972 ist der verheiratete Vater von vier Kindern als selbständiger Rechtsanwalt in Prien tätig.


 
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