© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


Zeitschriftenkritik: "Rabenflug"
Altes und Neues vereint
Werner Olles

In nunmehr 15 Ausgaben liegt die halbjährlich in Wiesbaden erscheinende Kulturzeitschrift Rabenflug vor. Sie widmet sich vor allem der Literatur, Kunst und Geschichte, stellt Gedichte, Kurzprosa, Aufsätze und Essays vor, nimmt aber auch Stellung zu gesellschaftspolitischen und christlichen Themen Stellung. Als ein offenes, sprachlicher Qualität und humanistischem Denken verpflichtetes Forum will die Zeitschrift Gegenwartsdichtung und ältere Literatur in Bezug zueinander setzen. So werden neben Buchbesprechungen und Kulturnotizen neue Texte und die Sprache vergangener Kultur in der Zeitschrift gegenübergestellt.

Jede Ausgabe hat ein Schwerpunktthema, in dem eine Autorin oder ein Autor vorgestellt wird, deren Werke oft zu Unrecht vom hektischen Kulturbetrieb unserer Tage ignoriert werden und so aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden sind. So werden in der jüngsten Ausgabe mittel- und ostdeutsche Dichter und Denker gewürdigt.

Sehr schön fügt sich da ein Essay von Hanns Schaub über Botho Strauß ein: "In Stille und Licht", in dem der Essayist den kulturpessimistischen und ästhetischen Elementen des Dichters huldigt. Eine "unerwartete Sprengkraft" gehe von diesen Sätzen aus, und eine Äußerung wie "Jedes Tabu ist besser als ein zerstörtes" lege "in einem Zeitalter, in dem die Zugänge zum Ursprung, zum Schöpferischen vom Geröll einer längst ad absurdum geführten ’Aufklärung‘ verschüttet sind, einem Zeitalter, in dem der Ungeist eines (pseudo)philosophisch argumentierenden totalitären Materialismus und die öde Versachlichung eines entspiritualisierten Oberflächendenkens zunehmend auf die christlichen Konfessionen übergreifen", ungeahnte Tiefen frei.

Theodor Fontane ist ein Aufsatz zum 100. Todestag gewidmet: "Ein Poet wandert durch Brandenburg", ein weiterer Text dem "Schwierigen Nachbarn Polen". Und über den verstorbenen Ernst Jünger heißt es, daß des Autors Werk "in seinen besten Teilen das spiegelt, was Hugo von Hofmannsthal einen Traum großer Magie nannte". Eine Hommage auf die Dichterin Annette von Droste zu Hülshoff schreibt Dittker Slark zu ihrem 150. Todestag. Es folgen zwei ihrer schönsten Gedichte: "Der Knabe im Moor" und "Am Turme".

Johann Gottfried Herders "Abhandlungen über den Ursprung der Sprache", René Quintons "Maximen über den Krieg" werden ebenso vorgestellt wie Klabunds "Ode an Crossen", in der der Dichter der "kleinen Stadt am blauen, rauhen Oderstrom" gedenkt. Zitiert werden auch Eugene Ionescus Abneigung gegenüber Brecht, dem er vorwirft, "didaktisch, ideologisch, einfältig" zu sein, und der Philosoph Emil Ciosan, der die deutsche Geschichte "ein Scheitern ohnegleichen" nennt: "Daß eine solche Nation so zugrunde gehen konnte ... wie ein Genius, der sich nicht realisiert hat." Rabenflug ist voll von solchen Impressionen, Reflexionen, Erinnerungen und Versuchen, die Wirklichkeit zu entdecken.

Anschrift: "Rabenflug", c/o Evelyn von Bonin, Herminenstr. 7, 65191 Wiesbaden. Erscheinungsweise halbjährlich. Einzelpreis 6 DM, Jahresabo 12 DM


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