© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/99 15. Januar 1999


Kolumne:
Selbstverleugnung
von Klaus Hornung

Als Referent bei einer internationalen Konferenz der "Koreanischen Gesellschaft für Staatsbürgerliche Ethik" in Seoul hatte ich kürzlich ein Erlebnis, das in Deutschland bei einer Tagung unvorstellbar wäre. Zu Beginn erklang die Nationalhymne, wozu sich die Teilnehmer von ihren Plätzen erhoben. Bevor er das Wort ergriff, verbeugte sich der Konferenzleiter vor der Fahne seines Landes, die während der ganzen Konferenz auf dem Podium stand. Überhaupt war mein Eindruck im "Land der Morgenröte", daß hier die Synthese von technisch-industriellem Fortschritt und kulturell-moralischer Tradition weitaus besser geglückt ist als bei uns.

Deutschland wirkt heute wegen seines hohen Wohlstandes auf die internationalen Migrationsströme wie ein Magnet. Man ist hier stolz auf seine "Weltoffenheit" und nach dem Ende des Kalten Krieges auf die Aufhebung der Grenzen in Europa. Noch stärker als Magnet für die Zuwanderung wirkt aber ein eigentümlicher Komplex nationalen Selbsthasses und kultureller Schwäche vor allem in unseren politischen und meinungsbildenden Klassen. Noch sind die Kehrseiten der Medaillen, organisierte Kriminalität und inzwischen ein Ausländeranteil von bald 10 %, mehrheitlich aus außereuropäischer Weltregion, noch nicht genügend in das Bewußtsein der Menschen gedrungen. Das manifestiert sich nicht zuletzt in unserer hyperliberalen Rechtskultur, die den Eindruck hinterlassen muß, die Deutschen nähmen ein künftiges multikulturelles Groß-Jugoslawien im schon dichtbesiedelten Mitteleuropa mit Vergnügen hin, ja steuerten es als Weg in die Brave New World sogar an. Über das Ende dieser gesinnungsethischen Fahnenstange denkt noch kaum jemand nach: daß ein solcher Sammelraum der globalen Migration dann nicht mehr rechtsstaatlich-demokratisch regiert werden kann und sich als neuer Brennpunkt der Konflikte aus vielen Weltregionen erweisen wird.

Nach dem deutschen Ausländer- und Asylrecht soll nun auch die andere Welteinmaligkeit deutschen Gutmenschentums, das Doppelstaatsbürgerrecht wie ein weiteres weit offenes Tor der Einladung nach Deutschland wirken. Gegen dieses Vorhaben rot-grüner Jakobiner ist entschiedener Widerstand ein Akt demokratischer und politischer Vernunft, unbeschadet des Versuchs, den bereits hier Befindlichen das Angebor der Integration zu machen. Es könnte freilich sein, daß die gegenläufige Entwicklung der Bildung von Ghettos und nationalen Minderheiten schon weiter fortgeschritten ist, als Gutmenschen und schweigende Mehrheit glaubten. Nationale Selbstverleugnung ist jedenfalls kein guter Weg der Ausländerpolitik. Man wird in Korea und überall sonst in der Welt darauf achten, wie sich die verwirrten Deutschen entscheiden.


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