© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Oper I: "Die Rose vom Liebesgarten" in Zürich
Szenische Albernheiten
Gerd Sauer

Patriotismus sollte nicht langweilig sein. Wenn sich Hans Pfitzner schon als der deutscheste aller Komponisten verstand, dann hätte bei ihm der germanische Donnerhall auch stets etwas schwungvoller vollzogen werden können. Bei der "Rose vom Liebesgarten" hat er sich auch noch speziell für den wildwabernden Mythos eingesetzt, sein Librettist James Grun lieferte ihm denn auch prompt Wagner-gerechte Verwirrung auf der Bühne.

Nicht zuletzt eine solch krude Geschichte hat dazu beigetragen, daß es diese Opernsage schon lange nicht mehr zu sehen gab. Zwar hatten sich Bruno Walter und später nach heftiger Fürsprache von Gattin Alma auch Gustav Mahler für das düstere Werk stark gemacht. Aber selbst die gefeierte Aufführung an Mahlers Wiener Hofoper half der Rezeption des Werkes nicht viel weiter. Und das liegt wohl nicht nur am Stoff, der selbst für mythenbewußte Pfitznerianer schwer zu verstehen ist.

Die Namen Siegfried und Siegmund waren bereits besetzt, da hat sich Grun eben einen Siegnot ausgedacht, der den Liebesgarten zu bewachen hat. In die Unterwelt wird er vom Weib gelockt, das in diesem Falle Minneleide heißt. Die luxt ihm die Rose ab, die ihm vorher eine Sternenjungfrau zum Schutze vor Unbill überreicht hat. Elfe, deren Gefährtinnen, der wackere Germane und ein Moormann (der David Pountneyf hieß, Zürcher Inszenierung wie ein alter Ego des Komponisten ausschaut) müssen denn noch tiefer unten, begreiflicherweise in der Hölle, noch Ärgeres durchstehen, bis schließlich Not und Tod, aber am Ende doch noch die Erlösung kommt.

Welche Musik paßt zu einer solch heftigen Geschichte? Natürlich erdenschwere, solche, die das Orchester auftrumpfend präsentieren kann. Viel Arbeit für die Bläser, lyrische Motive nicht ausgeschlossen, Pfitzner hat sich für das überlange Werk kräftig ins Zeug gelegt. Endlos lang zieht der erste Akt an uns vorbei, bis dann schließlich die helle Kraft der Liebe sogar noch eine zarte Charakterisierung durch das Orchester und die Stimmen erfährt.

Letztere haben es schwer und damit sei denn doch noch einmal eine Verbindung zu Wagner gestattet, gegen das Orchester durchzudringen. Franz Welser-Möst denkt in Zürich auch nicht daran, dieses Mißverhältnis aufzuklären. Er peitscht das Orchester durchaus schwungvoll durch das Spektakel und scheint zeitweilig vergessen zu haben, daß es in einer Oper auch noch verstehbaren Gesang zu geben hat. Zumal es ohnehin nicht einfach ist, die Grun’sche Verklärung einigermaßen verständlich zu machen.

Pountneyfs gelegentliche szenische Albernheiten helfen dem Werk auch nicht so recht auf die Beine. Zuerst findet sich ein Reigen deutscher Schicksalsgestalten von Goethe über Wagner bis zum für deutsche Verhältnisse offenbar unumgänglichen Hitler, vor der aseptisch weißen Bühnenumrahmung. Für die Behausung des Elfenvamps durfte sich Ausstatter Johan Engels wenigstens einiges einfallen lassen. Eine rechte Lasterhöhle, eingehüllt in Fin-de-siecle-Stimmung: einige wenige Show-Effekte darf die Oper ja wohl noch offerieren.

Francisco Araiza konnte noch nie spielen. Und als blondierter Siegnot ist es sowieso besser, nur dekorativ herumzustehen. Allerdings setzt er sich für dieses wohl verlorene Werk nicht einmal mit stimmlich vollem Einsatz ein. Deshalb hat die als Minneleide hervorragend intonierende Stephanie Friede auch keine Mühe, ihn mit vollweiblicher Kraft an die Wand zu drücken.

Martin Zysset und Rolf Haunstein werfen sich als Moormann und Höllenfürst dagegen lautstark für Pfitzner in die Bresche. Aber auch das wird wohl der Rose fürderhin zu keiner langen Blütezeit verhelfen. Wenn schon die Bemühungen von Mahler nicht so sehr gefruchtet haben, wird auch sein Landsmann Welser-Möst nicht allzuviel Glück haben.


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