© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Opposition: Union plant Unterschriftenkampagne
Eine Zerreißprobe
Michael Oelmann

So sang- und klanglos, wie die Änderung des Staatsbürgerschoftsrechts nach rot-grünen Plänen abzulaufen zschien, wird es nun also doch nicht werden. Die CDU plant, sich der von Stoiber initiierten Unterschriftenaktion gegen die Änderung des Staatbürgerschaftsrechts anzuschließen. Damit dürfte die Auseinandersetzung an Schärfe gewinnen.

Tatsächlich: Das Vorhaben der neuen Regierung, die deutsche Staatsbürgerschaft im Gießkannenprinzip millionenfach an Mann, Frau und Kinder zu verteilen, ist eine Zäsur von historischen Ausmaßen. Noch nie hat es in der Zivilisationsgeschichte eine derartiges Bevölkerungsprogramm gegeben. Die Tragweite, die mannigfachen gesellschaftlichen, völkerrechtlichen, finanziellen Implikationen wurden kaum bedacht, geschweige denn, daß ein vorurteilsfreier, öffentlicher Diskurs darüber geführt worden wäre. Nur hier, beim Ausländerrecht, standen der neuen Regierung bei der Realisierung von ideologischen Progrommen aus seeligen Oppositionszeiten keine harten realpolitischen Fakten gegenüber: das Ausländerrecht war eine gefügige, rot-grüne Verhandlungsmasse bei den Koalitionsgesprächen.

Daher ist es nicht nur begrüßenswert, wenn jetzt die Union Front dagegen macht, sondern auch bemerkenswert. Natürlich: Die CDU braucht in ihrer jetzigen Phase der oppositionellen Selbstfindung politische Schlagworte, sie braucht klaren Kurs und Profil. Das gilt umso mehr angesichts der nahen Hessenwahl. Das Wahlthema Einbürgerung könnte hier die Karten neu mischen.

Aber mit Schäubles Schwenk auf Stoibers Linie begibt sich die CDU auch auf Konfrontationskurs gegen die eigene starke Parteilinke, die, von Geißler bis Süßmuth, deklarierte Anhänger eines liberalen Staatsbürgerschafts- und Einwanderungsrechts sind. Auf diese Auseinandersetzung darf man gespannt sein. Sollte Schäuble diese gar strategisch ins Kalkül ziehen, wäre ihm Respekt zu zollen. Denn spätestens jetzt, nach der desaströsen Bundestagswahl, müßte der Union endgültig klar sein, daß eine weitere Sozialdemokratisierung die Partei auf Dauer ins Abseits stellt. Unterdessen nämlich das pragmatische Powerduo Schröder-Hombach die "neue Mitte" um sich schart.

Oder hat sich Schäuble gedacht: Von Stoiber lernen, heißt siegen lernen? Der bayerische Ministerpräsident ist zu clever, als daß ihm die Bemerkung, die drohenden Minderheitenprobleme durch die doppelten Staatsbürgerschaften seien mit dem RAF-Terror der 70er Jahre zu vergleichen, ungeschickt unterlaufen wäre. Stoiber und Schäuble wissen, daß die "Menschen auf der Straße" ein sehr natürliches Empfinden dafür haben, welche Gefahren drohen.

Der Sache nach macht es auch wenig aus, wie verquer Schäuble seinen Vorstoß damit begründet, die doppelte Staatsbügerschaft "erschwere die Integration". Zwar stimmt auch das. Aber ein US-Amerikaner, ein Kanadier oder Franzose wird wohl nie begreifen, warum man in Deutschland bei Fragen des nationalen Interesses, z.B. beim Thema Einbürgerung, nicht Roß und Reiter nennen kann. Den verkrampften Duktus werden wir wohl noch eine Politikergeneration lang zu ertragen haben. Bis dahin mutet es mittlerweile schon kabarettreif an, in welchem inflationärem Maße in solchen Zusammenhängen ärgste PCVorwurfe seitens der Linken ("geistige Brandstiftung", "Agitation", "rückwartsgewandte Vorurteile") nun auch die biedere CDU-Spitze ereilen. Viel Spaß dabei, Herr Schäuble. Die CDU wird sich auf noch rauhere Winde gefaßt machen dürfen, wenn sie eine konturierte Opposition betreiben will.

Auch macht es wenig daß sich die CDU bisher zumeist gegen plebiszitäre Elemente wie Volksbefragungen ausgesprochen hat, nun aber auf eine Unterschriftensammlung setzt. Es ist bekanntlich nicht verboten, dazuzulernen. Der Anlaß gibt es auch her. Auch stehen die Aussichten, erfolgreich politischen Einfluß über Bürgerbefragungen geltend zu machen, nicht schlecht. Dafür hat es in letzter Zeit viele Beispiele gegeben, zuletzt bei der Frage der Rechtschreibreform. Daß sich neue, erfolgreiche Formen der demokratischen Willensäußerung unterhalb des verkrusteten Parteiensystems herausbilden, könnte für eine Partei wie die CDU, mit ihrem funktionalen Parteiapparat von Orts- und Kreisverbänden, große Chancen eröffnen. Die würde aber eine Revolution der althergebrachten CDU bedeuten.


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