© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/99  01. Januar 1999

 
 
Klimaschutz: Bernd Lötsch über die österreichischen Grünen und die ökologische Lage des Planeten
"Der Naturverlust wurde nicht gestoppt"
Helmut Müller / Harald Winter

Herr Professor Lötsch, schadet die Existenz der Grünen dem Umweltschutz?

Lötsch: Ich würde nicht so weit gehen, doch ich habe die Grünen manchmal kritisiert, daß sie zuwenig grüne Themen in den Vordergrund gestellt haben. In der Regel war es so, daß sie mit den grünen Themen nicht in die Medien gekommen sind. Manche ihrer Programme sind sehr gut, ob das jetzt zur Agrar- oder Verkehrsfrage ist. Aber es wissen ja alle, daß sich jeder Politiker an der Verkehrsfrage überheben müßte, wenn er sie ernst nähme. Ich würde sagen, die grüne Frage, die Umweltfrage ist keineswegs "out", sie hat nur, gestatten sie auch hier den Anglizismus, den "News-Wert" verloren. Und wenn ich mich umschaue, da entsteht sogar aus industriellen Kreisen, aus der Wirtschaft heraus, durchaus Bereitschaft zu neuen Allianzen, die keineswegs unehrlich sein müssen. Es ist eine spannende Zeit, wo alte Feindbilder schmelzen und neue Annäherungen entstehen. Ich glaube, daß wir mit diesen Dingen, von denen man vor 20 Jahren die Leute mühsam mit großem rhetorischen Aufwand überzeugen mußte, heute offene Türen einrennen. Aber eines ist klar: die 20 Jahre Umweltdiskussion, Umwelttechnik und Umweltinnovation haben den progressiven Naturverlust nicht stoppen können, haben nichts daran ändern können, daß die wesentlichen Naturgüter keinen Besitzer, keinen Preis und keinen Schutz haben. Länder wie Österreich oder Dänemark, die sind schon ziemlich weit, und ich glaube, man könnte in Österreich noch viel mehr erreichen, wenn die EU ordentlich mitspielen würde. Bis jetzt ist sie uns immer noch eine vernünftige Energiebesteuerung schuldig geblieben, die natürlich aufkommensneutral sein müßte, um gleichzeitig Arbeitskosten zu entlasten. Aber im globalen Maßstab ist es doch besorgniserregend.

Was halten Sie von der Klimakonferenz?

Lötsch: Vergleiche mit einem Patienten sind angebracht, und ich pflege auch in der Vorlesung immer zu sagen, ein "global warming" um ein paar Grad regt manche Leute nicht so auf, aber wenn unsereiner um drei Grad mehr hat, dann ist er krank, und wenn er dann noch einmal um drei Grad mehr hat, dann ist er nicht doppelt so krank, sondern tot. Weil eben komplexe Systeme anders reagieren als irgendwelche Maschinen. Ich hab auch Dennis Meadows einmal gefragt, ob er als Systemanalytiker noch an die Zukunft glaube. Und er hat mir geantwortet, "hope for the best, prepare for the worst". Hoffe das Beste, sei auf das Schlimmste gefaßt.

Ist die Situation wirklich so dramatisch?

Lötsch: Vor kurzem sind wiederum, wie in einem Gladiatorenzirkus, ein paar Journalisten, die früher sogar zum Teil für natur gearbeitet haben, aufgetreten, und haben sich profiliert mit vermeintlichen Ökoirrtümern der Umweltschützer. Man kann sie in redaktionellen Gesprächen niedermachen, aber sie erholen sich rasch und werden wieder von Industriellen und anderen weitergereicht. Ich nenne so etwas Ökopornographie, es ist unverantwortlich, wie man hier eine Verwirrungstaktik anwendet, wie zum Beispiel "Beim Klimaeffekt wisse man nichts Genaues"– na, was weiß man nicht genau? Man weiß nicht genau, wie sich die Niederschlagsmuster ändern, wenn sich atmosphärische Turbulenzen besonders verstärken. Aber man weiß ganz genau, daß mit dem heutigen Level an Treibhausgasen eine wachsende Energieakkumulation in der Atmosphäre stattfindet. Die Erdbevölkerung ist so anfällig wie noch nie, sie ist nicht nur durch Hunger und Überbevölkerung gefährdet.

 

Bernd Lötsch, Universitätsdozent und tit.a.o. Universitätsprofessor der Universität Salzburg, ist seit 1986 Präsident des Nationalpark-Instituts Donau-Auen. Seit 1994 Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien. Davor langjährige Tätigkeit am Institut für Umweltwissenschaften und Naturschutz, später Kommission für Humanökologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Arbeitsschwerpunkt: Stadtökologie, Energie und Umwelt.


 
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