© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/99  01. Januar 1999

 
 
Tierschutz: Weltweit werden Delphine als Konkurrenten von Fischern verfolgt
Geschlagen und zu Tode gequält
Ulrich Karlowski

Jedes Jahr zieht es Zehntausende sonnenhungriger Badefreunde an die Strände der griechischen Insel Korfu. Doch beschauliche Strandspaziergänge können manchmal mit einer gräßlichen Überraschung enden. Im Laufe dieses Jahres wurden fünf tote Delphine, darunter ein Rundkopfdelphin, an die Strände geschwemmt. Sie starben an Schußverletzungen und Messerstichen und wiesen darüber hinaus schwere Mißhandlungen auf. Einem Tier wurden Rückenfinne und Fluke abgeschnitten und der Bauch aufgeschlitzt, bei einem anderen hatten sich durch starke Schläge auf den Unterleib die Genitalien herausgedrückt. Ihre Körper waren mit Hämatomen – verursacht durch Schläge und Tritte – übersät. Der Arzt Petros Chryssikopulos aus Korfu vermutet, daß die Tiere griechischen Fischern ins Netz gingen und von ihnen massakriert wurden. "Nicht nur in Griechenland, sondern überall auf der Welt sehen Fischer in Delphinen und Robben unliebsame Konkurrenten. Fisch wird weltweit immer knapper. Aber die Ursache liegt nicht bei den Meeressäugern, sondern ausschließlich in der Überfischung durch den Menschen", erläutert die Meeresbiologin Petra Deimer.

Das Jagen, Töten und Anlanden von Kleinwalen ist in Europa durch die Bonner Konvention zum Erhalt wandernder Arten sowie nationale Gesetze streng verboten. Doch die Verbote werden kaum überwacht, auf hoher See haben die Fischer freie Hand. Mit welcher Brutalität sie gegen in ihren Netzen zappelnde Delphine vorgehen, zeigte eine Untersuchung, die die Gesellschaft zur Rettung der Delphine (GRD) an der französischen Atlantikküste durchführte. Über 500 tote Delphin hatte ein landgängier Sturm innerhalb weniger Tage an die Küste zwischen La Ro-chelle und Cap Ferret gespült. Etlichen Tieren fehlten Schwanz-fluke, Finne oder der Kopf. "Mit diesen Körperteilen verheddern sich die Delphine am stärksten bei ihren verzweifelten Befreiungsversuchen, und die Fischer schneiden sie ab, damit die Netze so wenig wie möglich beschädigt werden", sagt die GRD-Biologin Denise Wenger. Viele der Verstümmelungen dürften den Tieren bei lebendigem Leib zugefügt worden sein. Täter waren wahrscheinlich Fischer aus Frankreich, Irland oder England, die im Golf von Biskaya Treibnetze zum Thunfischfang auslegen.

Die Windrichtung des Sturms war damals ausschlaggebend, daß so viele Tierleichen angetrieben wurden, meist versinken getötete Delphine, Robben, Wale und anderer Beifang spurlos im Meer. "Die bei Korfu angespülten Kadaver sind nur ein Bruchteil der tatsächlich von griechischen Fischern getöteten Delphine", meint Denise Wenger. "Das wahre Ausmaß der Tragödie kann man nicht einmal erahnen." Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO wurden 1993 weltweit zusätzlich zu den 84 Millionen Tonnen angelandetem Fisch rund 30 Millionen Tonnen Meerestiere tot oder sterbend zurück ins Meer geworfen. Die GRD fordert deshalb eine drastische Reduzierung der durch Subventionen aufgeblähten EU-Fischfangflotten, ein Verbot unselektiver Fischereimethoden, die Einrichtung von Schutzzonen für Meeressäuger sowie eine staatliche Überwachung der Beifangmengen. Nach einer WWF-Studie steht jedoch zu befürchten, daß die Fangkapazität der EU-Fischereiflotte noch zunehmen wird und für kurzfristige Beschäftigungsziele der Erhalt der Artenvielfalt der Meere aufs Spiel gesetzt wird. Künftige Funde verstümmelter Delphinkadaver an Europas Stränden sind damit vorprogrammiert.


 
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