© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Abschied: Der Filmregisseur und Autor Will Tremper starb am 15. Dezember in München
Mit großer Klappe durch wilde Jahre
Georg Willig

Er war ein Journalist, bei dem der Einfall sofort in die Fingerspitzen ging, auf die Tasten seiner weißen Schreibmaschine, der er keinen Tag Ruhe gönnte. Und sich selbst noch weniger, wenn man einmal absieht von den Stunden der ausgedehnten Tafelgenüsse, zu denen er immer wieder einen großen Kreis seiner Freunde einlud, ins "Kopenhagen", sein Stammlokal am Kurfürstendamm, das nun einen großzügigen Gast und Kenner lukullischer Genüsse verloren hat.

Jetzt ist Will Tremper, geboren am 19. September 1928 in Braubach am Rhein, knapp drei Monate nach seinem 70. Geburtstag, in der Nacht vom 14. zum 15. Dezember in seinem Haus in München gestorben.

Tremper war ein Mann vieler Talente und einer enormen, disziplinierten Arbeitskraft. Bei ihm mischten sich Phantasie mit Realitätssinn, Gelassenheit mit Schnelligkeit, Vorurteilslosigkeit mit der Fähigkeit zum schnellen und begründeten Urteil. Das wurde sichtbar in seinen Filmkritiken, aber auch in seinem "unkorrekten" Blick auf das politische Geschehen, wovon auch seine Kolumnen auf der ersten Seite der JUNGEN FREIHEIT zeugten.

Mit noch nicht 16 Jahren gelang es ihm, als "Bildberichterstatter" an die Ostfront geschickt zu werden und im letzten Moment tollkühn dem Inferno zu entkommen. Im Herbst 1945 begann er seine journalistische Laufbahn beim Berliner Tagesspiegel , zunächst als Volontär, ab Januar 1946 dann als jüngster Polizeireporter in Berlin. Nach diversen Zwischenstationen arbeitete er ab 1957 für den Stern, für den er unzählige Reportagen, Romane und Serien verfaßte, darunter die berühmteste "Deutschland, deine Sternchen" über das Filmgeschäft in der jungen Bundesrepublik. Später schrieb er für zahlreiche Zeitungen und Zeitschriften, war Reporter, Autor, Filmkritiker, Textchef und Chefredakteur.

Aufsehen erregte auch seine 1966 in der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit publizierte Artikelserie "Erfahrungen in einer verrotteten Industrie", in der er über Praktiken und Vorkommnisse in der deuschen Filmbranche berichtete. Bereits gegen die zweite Folge erwirkten Filmproduzenten wie Arthur Brauner oder Horst Wendlandt einstweilige Verfügungen vor Gericht.

1973 veröffentlichte Tremper den Bestseller "Das Tallkomplott", einen spannenden Wirtschaftsroman mit Authentizitätsanspruch (Krupp Konzern) über einen Spitzenmanager des deutschen Wirtschaftswunders. Der größte Coup dieses Benjamin Bach, ein gigantisches Exportgeschäft mit China, ist das Startzeichen für seine Gegner, ihn zu Fall zu bringen. Schwierigkeiten mit den Hausbanken des Unternehmens führen zur Gefährdung von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, Bund und Länder müssen helfend eingreifen.

1993 erscheinen bei Ullstein seine Lebenserinnerungen "Meine wilden Jahre". Auch dieses Buch wurde ein Erfolg. Anfang dieses Jahres erschien der zweite Band "Große Klappe", der seine Jahre als Drehbuchautor und Filmregisseur beschreibt, den Glanz und das Elend des Filmgeschäfts, aus großer Vertrautheit mit seinen Darstellern und seinen Machern, oft erbarmungslos unter die Lupe genommen.

Mit diesem Milieu und mit diesem Metier war der Filmkritiker und Kolumnist der Welt am Sonntag (seit 1978) besonders vertraut; einige seiner Filme erhielten hohe Auszeichnungen: 1963 Preis der deutschen Filmkritik für die beste Regie des Jahres und den Jakob-Kaiser-Preis für "Verspätung in Marienborn". Andere machten Filmgeschichte: "Die Halbstarken" (1956) mit Horst Buchholz und Karin Baal in den Hauptrollen, "Nasser Asphalt" (1958), "Flucht nach Berlin" (1960), "Endlose Nacht" (1962/63) oder "Playgirl" (1965/66) mit Harald Leipnitz, Paul Hubschmid und Eva Renzi in den Hauptrollen.

Will Tremper lebte gern, er lebte in vollen Zügen. Und er wollte nur so leben. Auf die Frage, welche Bedeutung der Tod für ihn habe, antwortete Tremper noch im April dieses Jahres im JF-Fragebogen lakonisch: "Ende gut, alles gut." Als er vor ein paar Monaten einen Schlaganfall erlitt, war das für ihn kein Anlaß, die Bremse zu ziehen. Er wollte bis ans Ende nach seiner Art leben. Ihm ist sein Leben gelungen. Er hinterläßt drei Söhne, eine Tochter und seine geliebte Frau Celia. Wer ihn (oder wenigstens seine Filme) gekannt hat, wird ihn nie vergessen.


 
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