© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Konzert: Klaus Hoffmann auf Tournee
Wehmütige Geschichten
Holger Stürenburg

Hitparaden, Dudelfunk und Jugendzeitschriften kommen dankend ohne ihn aus. Er tritt nicht bei "Wetten daß?" oder "Veronas Welt" auf, wird nicht von der Bild-Zeitung rezensiert und ist dem durchschnittlichen Popfan eigentlich kein Begriff. Klaus Hoffmann stört dies alles nicht, und all diese scheinbaren Mängel sind in seinem Falle durchaus als Auszeichnung anzusehen. Der 48jährige überzeugte Berliner hat dies auch gar nicht nötig: Seine Platten, seine Konzerte, seine Shows werden dennoch zu großen Erfolgen.

Seit 1971 veröffentlicht Klaus Hoffmann jedes Jahr eine Platte, die er regelmäßig auf weit angelegten Tourneen vorstellt. Während er in den 70er Jahre vor allem Brel beeinflußte, akustische Liedermacherklänge erfolgreich präsentierte, sich im Zuge des Deutsch-Rock-Booms in den 80ern auch schon mal härteren Klängen zuwandte, hat Hoffmann in dieser Dekade mit verschiedenartiger Musik experimentiert. Klangen seine ersten Alben in den 90ern (wie "Sänger" oder "Erzählungen") noch eher müde, so hat er spätestens vor einem Jahr mit seiner Adaption mehrerer Klassiker seines Jugendidols Jacques Brel einen Höhepunkt seiner bisherigen Karriere vorgelegt.

"Hoffmann singt Brel" ist als sein bislang ambitioniertestes Werk zu bezeichnen; von großem Orchester begleitet, intonierte er stimmungsvolle Chansons wie "Jacky", "Amsterdam", "Marieke" oder "Das Lied der alten Liebenden". Wer jedoch annahm, daß diese liebevolle Brel-Bearbeitung den künstlerischen Zenit Hoffmanns darstellte, täuschte sich. Vor wenigen Wochen setzte der Chansonnier mit seinem Album "Hoffmann-Berlin" einen neuen musikalischen Höhepunkt.

Auf dieser CD singt Klaus Hoffmann sehr persönliche, stilvolle Chansons zwischen Schlager ("Sie"), traditionellem Folkrock ("Man vergißt nichts"), südamerikanischen Klängen ("Daran wird gebaut") und vielfältigen Einflüssen althergebrachter Berliner Liederschreiber wie Walter Kollo oder Paul Lincke. Hoffmanns Heimat Berlin war schon oft das Thema seiner filigranen Songs; auf diesem Album berichtet er hauptsächlich von persönlichen Ereignissen aus seiner Jugend in der damals geteilten Stadt.

"Eine Platte zum laut hören", heißt es im Presseinfo, und in der Tat ist "Hoffmann – Berlin" in seiner Intensität, seiner Ausstrahlung und seiner Tanzbarkeit zeitgeistigem Dancefloor-Pop um einiges überlegen; man muß sich einfach bewegen, wenn Hoffmann von den "Tagen den Ente", dem "Dicken Jungen" oder "Schißlaweng" berichtet.

Dies zeigt sich auch auf seiner derzeitigen Deutschland-Tournee, die ihn seit Anfang November (bis Ende Januar) durch kleinere und größere Hallen der Republik führt. Zwar ist er im Norden wesentlich erfolgreicher als etwa in Baden-Württemberg oder Bayern, aber dennoch fand sein Münchner Auftritt vergangenen Samstag in der "Muffathalle" vor gut gefülltem Haus statt.

Nicht wie auf seinen letzten Alben mit Big Band bzw. Orchester, sondern nur mit Schlagzeuger, Pianist, Bassist und Gitarrist ist Hoffmann unterwegs, wobei letztere fast ausschließlich akustische oder halbakustische Instrumente nutzen. Somit präsentierte sich Hoffmann pur, und alle seine Lieder, die neuen wie die alten, gewannen durch derartiges "Unplugged"-Arrangement zusätzlich an Charme.

Hoffmann und seine Truppe interpretierten alle 13 Lieder der neuen CD und garnierten diese Zeitreise durch das Berlin des 20. Jahrhunderts mit einer gelungenen Auswahl bekannter Klassiker, wobei sie im Zuge dieser Tournee vor allem auf Titel des genau 20 Jahre alten Albums "Was fang’ ich an in dieser Stadt?" zurückgriffen, die alle akustisch arrangiert in neuem Glanz erstrahlten. Seinen Brel-Adaptionen gedachte Hoffmann mit "Marieke", "Amsterdam" und dem "Knokke-Le-Zout-Tango", und auch im Falle dieser teils gar aggressiv wirkenden Chansons schien das orchestrale Arrangement der CD "live" gar nicht zu fehlen. Zwischen seinen Lieder erzählte Hoffmann immer wieder witzige, mal auch wehmütige Geschichten, etwa von der dicken Frau Plön, die mit ihrem Gewicht ihren Untermieter in die Kloschüssel drückt, Pubertätserfahrungen mit vollbusigen Friseusen oder – immer wieder – von seiner "Stadt ohne Namen": Berlin.

Mit dem fröhlichen "Schißlaweng" endete die fast dreistündige Aufführung, bevor Hoffmann und seine Band unter lautem Jubel der über 600 Zuhörer nochmals die Bühne stürmen mußten und die unvergeßliche Moritat von "Zicken-Schulzes Hochzeit" darboten. Diesen Klassiker hat Hoffmann nicht selbst geschrieben, sondern der Berliner Kabarettist Fredy Siek im Jahre 1928. Und dort hat der Berliner Chanson-Chronist auch seine Wurzeln: Im Berlin der golden-chaotischen zwanziger Jahre.


 
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