© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
1848er Revolution: Eine Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum
Zeugnisse der "Pressfreiheit"
Konrad Pfinke

Das Revolutionsjahr neigt sich seinem Ende zu, und noch immer hat man die Gelegenheit, Ausstellungen über das bewußte Jahr 1848 zu besuchen. Das macht der fast ungeheure Reichtum an Dokumenten und Materialien, der uns noch heute Kunde gibt vom Versuch, die politischen Verhältnisse vom Kopf auf die Füsse zu stellen.

Eine wahre Flut von Publikationen, die das Doppeljahr 1848/49 hervorgebracht hat, liegt zur historischen Analyse vor. Im altehrwürdigen Germanischen Nationalmuseum zu Nürnberg, das seine Existenz zwar nicht der Revolution, doch den nationalen Strömungen verdankt, die auch etwas mit ihr zu tun haben, in diesen Mauern also kann der geduldige Besucher die Druckerzeugnisse studieren, die damals massenhaft hergestellt wurden.

Die Zahl spricht für sich: 1848/49 wurden, trotz einer massiven Einschränkung der "Press-freiheit", über 1.000 bildpublizistische Veröffentlichungen von mehr als 60 Verlegern auf den Tagesmarkt geworfen. Philipp Veits "Germania", eine Ikone der deutschen Geschichte, wacht über allem, wie sie seinerzeit über dem Präsidium der Paulskirche hing. Als säkulares Altarbild geriet sie natürlich auch schnell in den karikaturistischen Strudel, in dem die verschiedensten Motive durcheinandergewirbelt wurden. Sowohl das Vorparlament von 1848 als auch das eigentliche Parlament der Deutschen Konstituierenden Nationalversammlung, das bis zum 30. Mai des folgenden Jahres tagte, wurden von den Zeichnern und zum Vergnügen des Publikums satirisch ausgeschlachtet. Hier liegt die Herkunft unserer politischen Karikaturen wie auch des Comic-Strips. Das politische Theater fand seinen kritischen Widerhall in den Gazetten; schnell wurden die geeigneten Symbole gefunden, um die Kandidaten der linken und rechten Couleur dem öffentlichen Gelächter bloßzustellen. Der Reichsadler und der Deutsche Michel als traurige Gestalten, der opportunistische Parlamentarier als Prototyp des windigen Gesellen – all diese Figuren wurden für kurze Zeit in Tausenden von Reproduktionen hergestellt. Adolf Schrödter erfand den Herrn Piepmeyer, einen ins Grelle gewendeten Biedermeier, der sein Mäntelchen nach dem Winde hängt – der Vertreter einer quasi frühmodernen Form der Imagepflege. Umgekehrt wurden die scheinbar übernationalen Werte eines vergöttlichten Kaisertums und einer loyalen Armee in propagandistischen Darstellungen präsentiert, die künstlerisch weit weniger attraktiv, vielmehr konservativ wie ihr Gegenstand waren. In diesem Zusammenhang ist es kein Zufall, daß die großen Ahnen der Kunst und der Kultur, Dürer, Luther, Gutenberg und Karl der Große an ihrer Spitze, in das historische Gedächtnis der vaterländisch gesinnten Künstler drangen.

Es gehört zu den Ironien nicht nur der deutschen (Kunst-)Geschichte, daß ein Maler wie Veit einerseits dem reformwilligen Parlament die legendäre Darstellung einer (freilich mit kaiserlichen Attributen ausgestatteten) Nationalgöttin liefern konnte und andererseits die irdische Hierarchie des preußischen Königtums als Garanten der göttlichen Ordnung ausmalte. So weit gespannt waren die Widersprüche der Zeit, in der die Revolution – je nach Autor – als Ausbund des Schreckens wie als glorioses Fanal der Menschheitsbefreiung gezeichnet werden konnte: Hier die heldenhafte Barrikade mit den mutigen Frauen, dort der patriotische Einsatz der gegenrevolutionären Armee. Daß Adolph von Menzels Bild der "Aufbahrung der Märzgefallenen" unvollendet blieb, hat wohl auch etwas mit diesem Widerspruch zu tun.

Ein Widersprucht, der bis heute nicht gelöst ist. Uns trennen 150 Jahre von den bewegenden Ereignissen, aber noch die bedruckten, vergilbten Papiere verraten etwas von der Art und Weise, wie in den Medien Geschichte gemacht wird – und von den Spannungen zwischen einer demokratischen Aufbruchsstimmung und dem Katzenjammer am Morgen nach der wie auch immer verlaufenen Schlacht.

Die Ausstellung im Germanischen Natioonalmuseum Nürnberg wird bis zum 10. Januar 1999 gezeigt.


 
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