© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    50/98  04. Dezember 1998

 
 
Hildegard Müller
Managerin der Jugend
von Walter Trube

Die Bundesvorsitzenden der Jungen Union (JU) in den vergangenen 20 Jahren bestachen schon immer mehr durch Karrierevorhaben, Aufstiegswünsche und Opportunismus denn durch politisches Charisma, neue Ideen und politische Grundsatztreue. Diese Linie, begonnen vom späteren Verkehrsminister Matthias Wissmann bis zum jetzt ausgeschiedenen Klaus Escher, dürfte sich weiter fortsetzen, obwohl mit der 31jährigen Bankmanagerin Hildegard Müller nun erstmals eine Frau an die Spitze von Deutschlands mitgliederstärkster Jugendorganisation gewählt wurde.

Hildegard Müller trat kurz nach der Kohl-"Wende" 1982/83 der JU bei und arbeitete sich innerhalb von nur zehn Jahren durch die kommunalen und landespolitischen Funktionen bis zur Stellvertreterin Klaus Eschers auf, von dem sie auf dem "Deutschland-Tag" der JU am vergangenen Wochenende das Spitzenamt übernahm. Die eher unscheinbar wirkende junge Frau tritt ein schweres Erbe an. Sie hat bisher ihre Partei durchgehend in der Regierung erlebt und muß sich nun mental an die Oppositionsrolle gewöhnen. Gab die JU zu Zeiten der sozialliberalen Koalition des öfteren noch konservative Gegenthesen zum Zeitgeist von sich, so rückte der Unionsnachwuchs im Laufe der Kohl-Regierung in eine undefinierbare linke Mitte, für die Anpassung und Sowohl-als auch-Aussagen mehr bedeuteten als christlich-konservatives Fundament.

Vor allem in den Bereichen Umwelt-, Sozial-, Bildungspolitik und in Menschenrechtsfragen möchte die Frischgewählte neue Akzente setzen. Frau Müller betont, fest hinter CDU-Chef Schäuble zu stehen, mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, dessen deutliche Worte zur EU bzw. zur Ausländerpolitik von den JU-Delegierten heftig gefeiert wurden, sieht sie jedoch einen größeren "Dissens". Hildegard Müller will die JU einer nicht näher definierten "modernen Gesellschaft" öffnen und eine "Kommunikationsoffensive mit allen gesellschaftlichen Gruppen" starten. Solche Versuche hat es bei der JU in den vergangenen Jahren immer wieder gegeben. Auf diese Weise verkamen große Teile dieses Jugendverbandes zu Party- und Diskothekenfreizeitclubs, deren Aktivisten oft nur wenig Interesse an politischer Arbeit zeigten und es zwecks Mitgliederwerbung vorzogen, mondäne Feten abzuhalten und "Black is Beautiful"-Kondome auf Marktplätzen zu verteilen.

Frau Müller, von der nach ersten Stellungnahmen keine Rückbesinnung auf konservative Werte in Verbindung mit wadlbeißerischer Oppositionsarbeit auch und gerade gegen einen Großteil der eigenen Partei zu erwarten ist, tönt nun von einer "Beendigung der althergebrachten Politik der CDU" und ähnlichen Phrasen, die jeder Funktionsträger, der in ein neues Amt gewählt wird, die erste Zeit immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt.


 
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