© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Zitate

"In Deutschland ritualisierte man die Erinnerung. An Tagen wie dem 9. November wurden getragene Reden gehalten, in den Dritten Programmen Dokumentarfilme ausgestrahlt. Die Zeremonien verkamen zur Routine. Selbst Gutmeinende verloren die Kraft und Geduld. Diesem Nicht-Mehr-Können hat Martin Walser in seiner Rede Ausdruck verliehen. Sein Mut, dies zu tun, verdinet Respekt. Nicht weniger Anerkennung gebührt Ignatz Bubis. Seine Angehörigen wurden von Deutschen ermordet. Der Frankfurter hat verziehen, aber er wird nie vergessen können."

Rafael Seligmann, Schriftsteller in Berlin, in einem Debattenbeitrag in der "Welt" vom 21. November 1998

 

"Ein Einwanderungsgesetz steht nicht in der Koalitionsvereinbarung. Das finde ich richtig. Ich glaube, daß Herr Schily falsch verstanden wurde. Was er meinte, war mit Sicherheit, daß die Regierung es angesichts von mehr als drei Millionen Arbeitslosen nicht verantworten kann, eine weitere Gruppe zur Zuwanderung zu ermuntern. Ein Einwanderungsgesetz aber würde genau diesen Eindruck erwecken. (…) Das eine Signal, das mit Sicherheit auch der Kollege Schily geben wollte, ist, daß neue Zuwanderung in größerem Ausmaß sozial nicht verantwortbar ist. (…) Wir wissen auch, daß Integration keine ‘Einbahnstraße’ ist. Wer Deutscher werden will, muß die Ziele und Grundsätze unserer Verfassung beachten, sie als ihre eigenen Ziele und Grundsätze verstehen. Zur Integration gehört natürlich auch, daß sie sich verständigen, das heißt Deutsch sprechen können. (…) Deutschland war ein Einwanderungsland, als es Arbeitnehmer angeworben hat. Wenn unter dem Wort Einwanderungsland ein Land verstanden wird, das Menschen zur Zuwanderung ermuntern will, ist Deutschland heute kein Einwanderungsland."

Herta Däubler-Gmelin , Bundesjustizministerin, in einem Interview mit dem "Tagesspiegel" vom 22. November 1998

 

"Die große Herausforderung für die Konservativen ist der innerparteiliche Diskurs. Die geschlagenen Altpolitiker verwechseln allzu leicht Politik mit Intrige. Sie versuchen ihr Scheitern dadurch zu bemänteln, daß sie ihre erfolglosen Rezepte von gestern zum Maßstab der Politik von morgen machen wollen. Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern um sich selbst, die Rechtfertigung der eigenen Person. Ihnen muß klar werden, daß der politische Gegner die Sozialdemokratie ist und nicht die eigene (oft als undankbar empfundene) neugestaltete und neugeführte Partei. Nur mit zündenden Ideen kann das Vertrauen der Wähler neu gewonnen werden, die genau erkennen, wem es um die res publica, wem es um das Ego geht."

Andreas Khol, Vorsitzender der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), im Nachrichtenmagazin "Profil" vom 16. November 1998

 

"Wir müssen die Ausländerpolitik noch mal überdenken. Das betrifft vor allem die zweite Staatsbürgerschaft. Es darf nicht so sein, daß die CDU das als absolute Katastrophe sieht. Wenn nicht aus Überzeugung, dann wenigstens aus Egoismus: Wir haben 7,2 Millionen Ausländer hier. Im Lauf der nächsten Jahre werden ein bis zwei Millionen die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Und wenn die zu 90 Prozent SPD oder Grüne wählen, dann ist das in den Kommunen, in den Ländern und im Bund für die CDU ein schweres Handicap. Deshalb muß die CDU von ihrem Image weg, sie sei eine ausländerunfreundliche Partei."

Heiner Geißler, ehem. CDU-Generalsekretär und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, in einem Interview mit dem "Playboy", Dezember 1998


 
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