© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Normannenerbin: Vor 800 Jahren starb Konstanze, Königin von Sizilien
Dantes "Gran Constanza"
Hartmut Jericke

Anders als am dunkelroten Prunksarg ihres Sohnes werden vor dem benachbarten Porphyrsarkophag der Kaiserin Konstanze im Dom zu Palermo auf Sizilien nur selten Blumen niedergelegt. Während auch fast 750 Jahre nach seinem Tode im Jahr 1250 die Erinnerung an Friedrich II., den letzten Stauferkaiser, insbesondere bei vielen Italienern lebendig geblieben ist, hat sich über seine Mutter Konstanze der Mantel eines weitgehenden Vergessens gebreitet.

Dabei zählt Konstanze zu den wenigen Herrscherinnen des Mittelalters, welche wenigstens zum Teil aus dem Schatten ihrer königlichen oder kaiserlichen Gatten treten konnten, und die dadurch eigenständige Kontur zu gewinnen vermochte. Ihr ungewöhnliches Leben bot über Jahrhunderte hinweg immer wieder Stoff für zum Teil abenteuerliche Legenden und Gerüchte. Selbst Dante war von ihrem Schicksal noch so beeindruckt, daß er sie als "Gran Costanza" in seiner "Göttlichen Komödie" verewigte.

Über ihre ersten dreißig Lebensjahre ist kaum mehr bekannt geworden, als daß sie nach dem Tod ihres Vaters, König Roger II. von Sizilien, 1154 in Palermo das Licht der Welt erblickte und am dortigen Königshof wohl auch Kindheit und Jugend verbrachte. Später wollte man wissen, daß die Königstochter in der Einsamkeit eines Klosters gelebt und ein ewiges Gelübde abgelegt habe, von dem sie vom Papst dispensiert worden sei. Aus dem Dunkel dieser Jahre entrückt die spätere Kaiserin anläßlich ihrer Verlobung mit dem deutschen Thronfolger Heinrich VI. im Herbst 1184. Für Kaiser Friedrich Barbarossa wie auch für Wilhelm II., den Neffen Konstanzes und königlichen Regent Siziliens, bot diese Heiratsvereinbarung den Abschluß einer politischen Umorientierung zu Lasten der päpstlichen Kurie in Rom. Daß diese Eheanbahnung wenig später geradezu welthistorische Bedeutung erlangen sollte, war zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch nicht erkennbar.

Mit einem riesigen Troß von Begleitern, Pferden und Maultieren, beladen mit Pretiosen und kostbarer Ausstattung brach Konstanze von Palermo aus im Sommer 1185 auf, um zu ihrem künftigen Gatten an den kaiserlichen Hof nach Norditalien zu gelangen. Begleitet von einem kaiserlichen Geleit reiste die königliche Braut nach Mailand. Dort fand am 27. Januar 1186 unter großen Feierlichkeiten die Hochzeit statt. Bis Ende 1189 ist über das Leben und Wirken Konstanzes fast nichts bekannt geworden. Dann aber stirbt im November König Wilhelm II. in Palermo, ohne daß er leibliche Erben hinterlassen hätte. Einzige legitime Erbin des sizilischen Normannenstaates ist die deutsche Königin, Konstanze von Hauteville.

Die Vereinigung des Kaiserreiches mit dem Königreich Sizilien, eine bis dato nur theoretische Option, schien auf einmal Wirklichkeit zu werden. Doch der Papst, Lehensherr des Königreichs, intervenierte. Die drohende Umklammerung des Kirchenstaates durch die Vereinigung Italiens unter kaiserlicher Herrschaft hätte den Einfluß des Papsttums als politische Ordnungsmacht untergraben. Unter Mißachtung der eindeutigen Rechtslage wurde Anfang Januar 1190 in Palermo mit Billigung und unter Beteiligung des Papstes in Rom ein Usurpator zum Nachfolger Wilhelms gekrönt. Die geprellten Erben Konstanze und Heinrich wurden vor scheinbar vollendete Tatsachen gestellt. Diese aber waren nicht bereit, den eklatanten Rechtsbruch hinzunehmen, und nahmen den Kampf um das sizilianische Erbe auf.

Noch vor Beginn eines Feldzuges zur Eroberung Siziliens, zu dem Heinrich VI. seit 1190 gerüstet hatte, vollzog Papst Coelestin III. in Rom an Ostern 1191 die zuvor ausgehandelte Kaiserkrönung. Danach begann der Kriegszug ins Königreich. Im August brach im deutschen Belagerungsheer vor Neapel eine verheerende Seuche aus. Der erste Versuch, Sizilien mit Waffengewalt zu erobern, brach zusammen. Der Kaiser, selbst schwer erkrankt, ließ sich ins Kloster Montecassino schaffen, ehe er im Anschluß an seine Genesung nach Deutschland zurückkehrte. Die Kaiserin, die während der Kampfhandlungen Aufnahme in Salerno gefunden hatte, wurde durch den Verrat der Bürger an den Usurpator, König Tankred, ausgeliefert. Konstanze mußte sich an den Königshof nach Palermo begeben. Später wurde sie dann nach Neapel überführt und soll dort im Castel dell’Ovo in Gewahrsam gehalten worden sein. Nahezu ein Jahr dauerte diese Gefangenschaft. Dann sollte die Kaiserin auf Intervention des Papstes an die römische Kurie ausgeliefert werden. Auf dem Weg nach Rom stieß die Gruppe im Sommer 1192 auf eine bewaffnete kaisertreue Schar um den Abt von Montecassino. Statt an die Kurie eilte Konstanze zu ihrem Gatten nach Deutschland in die Freiheit.

Im Mai 1194 begann der zweite Feldzug zur Eroberung Siziliens. Die Kaiserin, die ihren Mann zunächst nach Oberitalien begleitet hatte, mußte bald zurückbleiben. Sie war schwanger und konnte dem Heer nur langsam folgen. Während die Eroberung Siziliens dieses Mal gelang, brachte sie am zweiten Weihnachtstag 1194 in Jesi ihr einziges Kind zur Welt. Auch um diese Entbindung rankten sich im Lauf der Zeit die abenteuerlichsten Gerüchte und Legenden: In einem Zelt auf dem Marktplatz habe inzwischen 40jährige Konstanze entbunden; Friedrich sei gar ein untergeschobenes Kind, der Vater nicht etwa der Kaiser, sondern in Wahrheit ein Metzger. Die Wahrheit wird weniger dramatisch gewesen sein.

Mit ihrem Sohn begab sich die Kaiserin dann nach Foligno. Unter der Obhut des Herzogs von Spoleto verbrachte der kleine Friedrich dort seine ersten Lebensjahre. Konstanze selbst zog im Frühjahr 1195 in ihr Erbreich. Während der Kaiser nach Deutschland zurückkehrte und mit dem Papst über die Anerkennung der staufischen Herrschaft über das Königreich verhandelte, reiste die Kaiserin nach Palermo, um dort die Regierungsgeschäfte zu führen. Bis zu ihrem Tod verließ sie die Insel Sizilien nicht mehr. Die beiden Gatten sahen sich erst zwei Jahre später wieder, nachdem Heinrich während eines Kreuzzuges nach Sizilien zurückgekehrt war.

Dem Kaiser blieben danach nur noch wenige Monate. Nach der erfolgreichen Niederschlagung eines Aufstandes von Adelsfrondeuren starb er, noch keine 32 Jahre alt, am 28. September 1197 an den Folgen einer Ruhrinfektion. Mit seinem Tod brach in den darauf einsetzenden Thronwirren auch die erst wenige Jahre alte Reichsunion wieder auseinander. Die Kaiserin versuchte nun alles, um den Papst dafür zu gewinnen, wenigstens ihrem Sohn sein Erbreich zu erhalten. Sie ließ ihn Anfang 1198 nach Palermo bringen und dort an Pfingsten zum König krönen. Konstanze war bereit, auf seine Ansprüche auf das deutsche Königreich zu verzichten. Mitten in ihrem Ringen um die Sicherung ihres väterlichen Erbes für ihren damals knapp vierjährigen Sohn starb am 28. November vor 800 Jahren Konstanze, deutsche Kaiserin und Königin von Sizilien.


 
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