© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Hans-Jürgen Lange: "Weisthor". Karl-Maria Wiligut
Himmlers Rasputin
Claus-M. Wolfschlag

Immer wieder scheint von den frühen Vertretern eines "esoterischen Nationalsozialismus" große Faszination auszugehen. Legenden und Fakten, Mythen und Spekulationen halten sich die Waage. Einer derjenigen, die eine schillernde Rolle im Umfeld des "Ordens unter dem Totenkopf" spielten, nannte sich "Weisthor" und wird gemeinhin mit Rasputin, dem skurrilen Wunderheiler am Hofe Zar Nikolaus’ II., verglichen: Karl Maria Wiligut.

Wiligut wurde am 10. Dezember 1866 in Wien geboren, diente in der k.u.k.-Armee und kam sehr bald in Berührung mit Schriften des völkischen Neuheidentums. Wiligut berichtete später, daß sein Großvater ihn bereits in die Geheimnisse der Runen eingeführt, die Einweihung in bestimmte formelhafte Sprüche eine geheime Familientradition dargestellt habe. Er lernte früh Vertreter des ariosophischen Neuen Templer-Ordens (O.N.T.) um Lanz von Liebenfels kennen, denen er sich verbunden fühlte. Nach dem Ersten Weltkrieg, den er großenteils an der Italien-Front verbrachte, machte er eine großangelegte Verschwörung von Freimaurern und Juden für den Zusammenbruch des Habsburger-Reiches verantwortlich. Er trat als Folge seiner Abneigung gegen die Machtverhältnisse der Nachkriegszeit einem Freikorps bei, gründete einen Antisemitenbund und die Zeitschrift Eiserner Besen. Auch aktivierte er seine alten Kontakte zum O.N.T., dessen "Ostara"-Schriften er sehr begrüßte. Im Unterschied zu den ausgesprochen antichristlichen Vorstellungen eines Guido von List fand Wiligut im Schriftgut des O.N.T. gedankliche Nähe zu seinen eigenen Vorstellungen eines germanischen Christentums, das auf rassischen Komponenten beruhen sollte.

Doch schon bald wurde der Höhenflug seiner Entdeckerphase beendet. Auch aufgrund seiner enormen wirtschaftlichen Überschuldung wurde Wiligut 1924 durch Antrag seiner völlig verzweifelten Ehefrau entmündigt und in die Salzburger Nervenheilanstalt eingeliefert. Erst als er 1927 entlassen wurde, nahmen Vertreter esoterischer Gruppen, vor allem der "Edda-Gesellschaft", verstärkt Kontakt zu dem "Wissensträger" auf.

1933 engagierte sich Wiligut in der neugegründeten "Deutschen Glaubensbewegung", die als großer naturreligiöser Dachverband geplant war, um eine Lobby für kirchlich nicht Organisierte zu bieten. Im November 1933 trat er offiziell in die deutsche SS ein, wo er sein Pseudonym "Weisthor" annahm. Bereits nach sechs Monaten erhielt er den Rang eines Standartenführers verliehen. Seine rege publizistische und organisatorische Tätigkeit begann. Ein gegen dieses Engagement gerichtetes Disziplinarverfahren der österreichischen Behörden verlief im Sande. Wiligut wurde statt dessen in den persönlichen Stab Heinrich Himmlers aufgenommen, fand dort aber auch Kritiker vor, die den selbsternannten "geheimen deutschen König" und "Weistumsträger" als "Spinner und Oberspinner" abwerteten.

Nach Bekanntwerden seines Entmündigungsverfahrens war Wiligut schließlich nicht mehr länger für Himmler tragfähig, er wurde aus dessen direktem Mitarbeiterstab verbannt. Himmler erhielt aber dennoch aus einigem Abstand heraus die Beziehung zu dem alten Runenforscher aufrecht. Am 3. Januar 1946 starb der 80jährige an den Folgen eines Schlaganfalls in Arolsen.

Schon durch seine Biographie des Gralsuchers Otto Rahn konnte Hans-Jürgen Lange Aufmerksamkeit erzeugen. Nun hat er sich mit Karl-Maria Wiligut, alias "Weisthor", einem weiteren Vertreter des sogenannten "esoterischen Flügels" des Nationalsozialismus zugewandt. Alle erreichbaren Quellen wurden hierzu verarbeitet, die wichtigsten mythologischen Arbeiten, interne Papiere des Esoterikers dokumentiert, sowie die Hintergründe des Komplexes Heinrich Himmler, Wewelsburg und Schwarze Sonne beleuchtet. Lange bemüht sich um wissenschaftliche Genauigkeit, ohne allerdings den Pfad der leichten Lesbarkeit zu verlassen. Dabei gelang es ihm, auch interessante ideologische und biographische Details zu recherchieren. Beispielsweise versicherte ihm ein Neffe Wiliguts, daß die Familie mütterlicherseits jüdische Vorfahren gehabt hätte. Herausgekommen ist ein Werk, daß trotz seines hohen Preises die Anschaffung lohnt.

Hans-Jürgen Lange: Weisthor. Karl-Maria Wiligut, Arun-Verlag, Engerda 1998, geb., 319 Seiten, 49,80 Mark


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen