© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Handelsstreit: Die EU-"Bananenmarktordnung" entzweit Europa und die USA
Strafzölle für EU-Erzeugnisse
Ronald Schroeder

Im Juli 1993 setzte die Europäische Union (EU) auf Betreiben Frankreichs die Ratsordnung 404/93 ("Bananenmarktordnung") in Kraft. "AKP-Bananen" wurden dadurch gegenüber den "Dollarbananen" aus Mittelamerika zu "europäischen Produkten" und damit bevorzugt. Die AKP-Bananen stammen aus der EU und – zum überwiegenden Teil, wie die Abkürzung deutlich macht – aus 71 weiteren Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Raums, ehemaligen britischen und französischen Kolonien.

Das Exportmonopol für die AKP-Bananen besitzen ausschließlich französische und ein irisches Fruchtunternehmen. Deutsche Bananenhändler mußten sie den Franzosen teuer abkaufen. Dabei waren sie an den AKP-Bananen gar nicht interessiert. Sie wollten lediglich weitere Importlizenzen für Dollarbananen erhalten. Die aber waren an AKP-Bananen gekoppelt. Dieses System von Einfuhrbegrenzungen führte zur Verteuerung von Dollarbananen für die Verbraucher von über 50 Prozent. Unterstützung erhielten die Franzosen von Spanien, Portugal, Großbritannien und Irland. Nur die Niederlande wandten sich strikt gegen die EU-Bananenverordnung.

Angesichts der nur verbalen Widerstände der übrigen neun EU-Partner blieb ihr Protest ohne Aussicht auf Erfolg. Dabei hatten die Holländer stark auf deutsche Unterstützung gehofft. Schließlich verspeist jeder Deutsche im Jahr mehr als doppelt soviele Bananen wie der Rest der EU-Bürger. Diese rund 15 Kilogramm sind fast ausschließlich Dollarbananen aus Ecuador, Guatemala, Honduras und Mexiko. Die Früchte aus den ehemaligen französischen und britischen Kolonien sind nicht nur erheblich kleiner, sondern waren als Folge der EU-Agrarpolitik auch noch erheblich teurer. Frankreich hatte nun das erreicht, woran es Mitte der fünfziger Jahre dank Konrad Adenauer gescheitert war. Adenauer hatte den Deutschen Ausnahmeregelungen für den Bezug der qualitativ besseren Dollarbananen erkämpft. Dazu war er sogar bereit gewesen, die Verhandlungen über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft platzen zu lassen.

Während also deutsche Importeure seit 1993 Exportlizenzen kaufen mußten, brauchten französische, spanische und britische Händler dies nicht. Die Bundesregierung beließ es bei schlaffer Kritik. Die deutschen Bananenimporteure zogen vor den Europäischen Gerichtshof. Der erklärte im März diesen Jahres diese Diskriminierung deutscher Unternehmen für nicht rechtens. Schon verkündeten die deutschen Fruchtimporteure freudig sinkende Bananenpreise. Sie waren um so optimistischer, als die Welthandelsorganisation (WTO) auf grund einer Klage der USA entschieden hatte, daß die EU-Bananenmarktordnung bis Ende 1998 überhaupt abgeschafft werden muß.

Doch die EU-Bürokratie handelte zügig und ganz im Interesse Frankreichs. Anfang Oktober schloß die EU-Kommission deutsche Importeure praktisch ganz von der Quotenzuteilung aus. Die Bundesregierung blieb auch angesichts dieses Systems zur ausschließlichen Gewinnmaximierung französischer Unternehmen tatenlos. Alle Hoffnungen der deutschen Bananenimporteure liegen jetzt bei den USA und der WTO. Doch die EU spielt auf Zeit. Erstmals hat sich ein Handelspartner geweigert, einen WTO-Schiedsspruch im wesentlichen umzusetzen. Die EU meint, die USA könnten die neue Regelung schließlich erneut vor das WTO-Schiedsgericht bringen. Dann könnte man wieder einige Details verändern und das Spiel von neuem beginnen. Doch die US-Regierung sieht die Interessen ihrer Wirtschaft bedroht – und handelt: Am 2. Januar 1999 sollen Strafzölle auf Erzeugnisse aus EU-Ländern erhoben werden, sollte bis dahin die Bananenmarktordnung der EU nicht gefallen sein. Vorerst ausgenommen sind nur niederländische Produkte. Der französische EU-Kommissionspräsident Jacques Santer aber geht auf Konfrontation. Ihm ist dabei sehr wohl bewußt, daß Deutschland der Hauptleidtragende eines Handelskrieges mit den USA sein wird. Nach Untersuchungen des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) wären fast 25 Prozent der deutschen Unternehmen von amerikanischen Importbeschränkungen betroffen. BDI-Chef Henkel forderte daher vor wenigen Tagen Finanzminister Oskar Lafontaine auf, das Inkrafttreten der Bananenmarktordnung zu verhindern, um den Handelskonflikt nicht eskalieren zu lassen. Auf das Ergebnis darf man gespannt sein. Schließlich scheiterte gerade erst der in deutschem Interesse liegende Entwurf einer transatlantischen Freihandelszone mit den USA am entschiedenen Widerstand Frankreichs.


 
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