© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Islamunterricht: Streit um Gerichtsurteil hält an
Schule im Visier
Herbert Bath

Der Wirbel um den islamischen Religionsunterricht in den Berliner Schulen hält an, wobei immer deutlicher wird, daß das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin (OVG) niemanden zufriedenstellt – weder die deutsche Bevölkerung noch die Türken in ihrer Mehrheit noch die deutsche Verwaltung, besonders die Schulverwaltung.

Schulsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) will Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch das OVG einlegen. Sie begründet es damit, daß das Urteil des Berliner OVG von grundsätzlicher Bedeutung sei und Auswirkungen für alle Bundesländer habe. Diese Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, denn wenn die Islamische Föderation eine Religionsgemeinschaft ist, könnte sie sich auch dort in den Religionsunterricht einklagen, wo er nach Artikel 7 des Grundgesetzes (GG) ordentliches Lehrfach ist.

Diese Überlegung zeigt, daß die Zulassung des islamischen Religionsunterrichts an den öffentlichen Schulen politisch ein Irrweg ist. Die Frage, ob nicht 30.000 Schüler muslimischen Glaubens in Berlin einen Anspruch auf Religionsunterricht haben, wie man sie auf türkischer und manchmal auch auf deutscher Seite hört, ist in dieser Form falsch. Natürlich haben sie einen Anspruch darauf, aber nicht in den öffentlichen Schulen.

Für den Islam wird der Religionsunterricht in Koranschulen herkömmlich als die beste Form angesehen. Gläubige Muslime werden auch wegen eines ihrer Ansicht nach läppischen Religionsunterrichts kaum auf die Koranschule für ihre Kinder verzichten. Von deutscher Seite ist dagegen rechtlich nichts einzuwenden. Es gilt die Religionsfreiheit nach Artikel 4 GG auch für Ausländer, das heißt sie können über die Formen des Religionsunterrichts selbst bestimmen.

In der Sache kann man als Deutscher schon deshalb nichts gegen Koranschulen haben, weil sie von den einzelnen islamischen Glaubensgemeinschaften unterhalten werden und ein eventueller Richtungsstreit nicht in die öffentlichen Schulen hineinschlägt. Wenn muslimische Eltern gänzlich gegen Koranschulen sind, aber einen Islamunterricht für ihre Kinder wollen, müßten sie dafür geeignete Einrichtungen gründen.

Ubrigens sind muslimische Schüler nicht sämtlich Türken; es gibt in Berlin und anderswo beachtliche Zahlen aus dem Iran, aus Afghanistan, Marokko und dem Libanon. Aber es gibt auch eine erhebliche Zahl tamilischer Hindus und vietnamesischer Buddhisten. Sie alle genießen Religionsfreiheit, haben aber nicht ohne weiteres Anspruch auf Unterricht ihrer Religion in den öffentlichen Schulen, sondern müssen dafür am Nachmittag selbst aufkommen, auch aus schulorganisatorischen Gründen.

Die politische Linke ist gegen Koranschulen, weil sie befürchtet, die Schüler würden glaubenskonservativ erzogen und dadurch gegen die "Integration" eingestellt. Allerdings brächte ein laizistischer Islamunterricht, den sich manche vorstellen, keine große Veränderung. Vor mehr als zehn Jahren wurden in der Berliner Schulverwaltung Lehrpläne begutachtet, die für den Religionsunterricht in Regie der staatsnahen Anstalt für Religion (DITIB) in türkischen Schulen gelten. Diese Pläne glichen eher solchen für eine vaterländische Geschichte der Türkei, und zwar in ausgesprochen chauvinistischer Form.

Wenn es also so etwas wie eine "Integration" muslimischer Schüler geben sollte, wäre es ziemlich gleichgültig, ob sie durch fundamentalistische oder durch chauvinistische Einstellungen verhindert wird. Wenn nun sogar gefordert wird, den Islam in deutscher Sprache zu lehren und entsprechende Lehrstühle für die Ausbildung von Lehrern an den deutschen Universitäten zu errichten, weil man nur so zu einem "deutschen Islam" kommen könne, mag man das für vermessen halten. Es zeigt aber, wohin die Reise gehen soll.


 
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