© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Schlierers Schachzug
von Dieter Stein

Die Bundestagswahl endete für rechte Parteien in Deutschland in einem Fiasko. Ein halbes Dutzend Listen mühten sich, die Proteststimmung im Lande aufzufangen – und landeten unterm Strich bei 3,3 Prozent. Viele von Kohl und den Unionsparteien enttäuschte Wähler flohen angesichts des unübersichtlichen Angebotes zum starken Gegenkandidaten Schröder. Der hatte mit Law-and-Order-Parolen und einer Dämpfung linker Programmatik Wähler an sich gezogen, die sonst rechts gewählt hätten.

Auf ihrem Bundesparteitag bestätigten die Republikaner ihren Vorsitzenden Rolf Schlierer, der für eine moderate Linie der Rechtspartei steht. Sein innerparteilicher Konkurrent Christian Käs zog seine Gegenkandidatur zurück, als klar war, daß er chancenlos sein würde. Käs hatte ein "Ende der Leisetreterei" und eine Aufweichung der Abgrenzung nach rechtsaußen gefordert. Was Schlierer dann im Rechenschaftsbericht in zwei Sätzen eher beiläufig erwähnte – daß es "ein Gespräch mit der DVU" gegeben habe, um bei künftigen Wahlen Konkurrenzsituationen zu verhindern – ist eine Sensation. Daß es sich beim "Gespräch" um ein Treffen zwischen Frey und Schlierer gehandelt hatte, wurde erst nach Schluß des Parteitages bekannt, als sei dies eine Nebensache.

Schlierer verzichtet seit dem Treffen auf eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Verleger der Nationalzeitung und seiner Partei, der DVU. Dabei hatte er 1994 Franz Schönhuber ausdrücklich wegen dessen – damals an den Parteigremien vorbei geführten – Treffen und Kooperationsvereinbarung mit Frey als Parteivorsitzenden gestürzt. Ob die Unterscheidung zwischen Kooperation und Absprache inhaltlich und nicht rein taktisch begründet ist, wird sich noch zeigen müssen. Taktisch erlangt Schlierer kurzfristig einen Sieg: Das Treffen bringt innerparteiliche Kritiker um Käs zum Schweigen und verschafft Schlierer für einige Monate Bewegungsfreiheit.

Zudem bedeutet der Verzicht auf die Landtagswahl-Kandidatur der Republikaner in Bremen und der DVU in Hessen kein ernstes Zugeständnis der beiden Parteien, weil sie im jeweiligen Land ohnehin kaum zum Antritt in der Lage wären. Interessant wird es erst im kommenden Jahr bei den Europa-Wahlen, bei denen sich wieder alle Protest-Listen ein Stelldichein geben wollen. Wer soll da verzichten und zu welchem politischen Preis? Bislang wurde jeder politische Taktiker, der sich mit dem Müchner Strategen Frey einließ, politisch erdrosselt. Es ist derzeit fraglich, ob es den Republikanern ähnlich ergeht und wer das Gesetz des Handelns in der Hand hält.


 
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