© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/98  20. November 1998

 
 
Kino: Til Schweigers Regiedebüt "Der Eisbär"
Eine Tendenz zum Grotesken
Ellen Kositza

Nein, Til, so wird das nichts mit Hollywood. Und dabei ist doch alles so gut und so schlau gemeint – wie formuliert es der Filmverleih? "Nach dem Kassenhit ’Knockin'on heaven's door‘ war es für Til Schweiger nicht leicht, ein hochkarätiges Nachfolgeprojekt zu finden." Und da der Til ohnehin schon länger "neue Wege gehen" will, lag wohl wenig näher für ihn, als sich nun als Regisseur zu versuchen. Und damit es so richtig sein Film wird, tritt Schweiger hier zudem als Co-Produzent und als Hauptdarsteller "Leo" in Erscheinung.

Leo ist dabei der "Eisbär", ein Profikiller mit dem Auftrag, "die Ratte" (bestechende Idee: Peter Maffay) zu erledigen. Zur gleichen Zeit, aber andernorts soll die Terroristin Nico (Karina Krawczyk) ein mit Bombe und Zeitzünder versehenes Fahrzeug an einen diesbezüglich ahnungslosen Miesling (Heiner Lauterbach) überbringen. Leos Coup schlägt fehl, und auch Nico sieht gewaltige Probleme auf sich zukommen, als ihr zwei Witzbolde (Benno Führmann, Florian Lukas) den Wagen sozusagen vor der Nase weg stehlen. Sowohl Nico als auch Leo ahnen, daß ihr letztes Stündlein naht, und beim Versuch, dieses Wissen mit Alkohol zu verdrängen, begegnen sich die beiden Top-Kriminellen in einer erbärmlichen Kleinstadtkneipe, einer Spelunke jener Art, wo Hinz und Kunz ressentimentgeladen an dunkelgebeizten Biertischen hocken und das Deutsche in der Welt preisen. Die damit einhergehende dumpfe Ausländerhatz könnte dabei als parodistischer Gemeinplatz so eben noch durchgehen, doch reizt es definitiv zum Gähnen, daß dieses doch recht abgeschmackte satirische Element zum running gag wird, der fast den ganzen Film durchzieht. Bis zum zugestandenermaßen wirklich grandiosen Filmende und Höhepunkt der Geschichte, als sich sämtliche Gangster und Gangsterjäger bewaffnet gegenüberstehen und so eine glanzvolle Parodie auf entsprechende showdowns amerikanischer Filmgeschichte geliefert wird, fehlt der Regie (oder auch dem Drehbuch) ganz offensichtlich das Maß bei der Verwendung komischer Elemente.

Vieles, was wohl witzig gemeint ist, vermag dem Zuschauer kaum ein müdes Lächeln zu entlocken, und wenn man hin und wieder von einer wirklich gelungen komischen Sequenz überrascht wird, so pflegt diese sogleich durch Überstrapazierung zunichte gemacht zu werden. Beispiel: Leo will eine Kneipe stürmen. Links und rechts eine Pistole im Anschlag, steht er vor der Tür, im Begriff, brutal seinen Auftrag auszuführen. Doch dann piept sein Handy – soweit ganz witzig, wenn auch nicht sonderlich originell. Telefonat abgewürgt, ein neuer Versuch – und wieder klingelt es. Ja, fast ahnt man es, das gleiche wiederholt sich noch einmal und noch einmal, bis sich die Pointe schließlich darin erweist, daß Leo von der Anruferin, die eigentlich gar nicht ihn sprechen wollte, in ein langes Gespräch über männliche Maße (pikant, pikant) verwickelt wird und überdies nicht bemerkt, daß bereits Sperrstunde ist. Nach Schweigers Verständnis und Wortlaut freilich sind Scherze wie dieser"extrem witzig".

Zudem bleibt nicht aus, daß man sich gelegentlich fragt, ob jetzt vielleicht die Parodie der Persiflage parodiert wird, oder auf welcher Ebene genau denn jetzt der Witz auszumachen sei – oder sollte man gerade in diesem Moment gar nicht lachen? Dies alles läßt den Film, bedingt auch durch pausenlose Aneinanderreihungen durchweg lauer Pointen, einerseits reichlich dilettantisch wirken, andererseits konstituiert vielleicht auch gerade dies eine nicht unsympathische Eigenheit des Filmes: seine Tendenz zum Grotesken, fast Surrealistischen. Um dem Film wenigstens dies abzugewinnen, muß man jedoch schon ganz genau hinschauen.


 
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