© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Zeitschriftenkritik: "Nation & Europa"
Eine Scheu vor Kultur
Claus-M. Wolfschlag / Werner Olles

Gegründet wurde die Monatszeitschrift Nation & Europa bereits 1951 von dem aus der freien deutschen Jugendbewegung stammenden Arthur Erhardt und dem Dichter Herbert Böhme. Als ideelles Konzept lag ihr – Nomen est Omen – die Europaidee der nationalistischen Bewegungen der Nachkriegszeit, vor allem des britischen Politikers Oswald Mosley zugrunde, der eine "Nation Europa" als vereinigtes Europa der Vaterländer zum Schutz des geopolitischen Großraums gegen die Umklammerung der Supermächte USA und Sowjetunion propagierte. Seit Ende der sechziger Jahre entwickelte sich das DIN-A-5-Heft zu einem Kristallisationspunkt eines rechten Diskurses von "neokonservativ" bis "nationalrevolutionär". 1990 übernahm man von Hans-Dietrich Sander das Kulturmagazin Deutsche Monatshefte und vier Jahre später das rechte Boulevardblatt Deutsche Rundschau. Konzeptionelle Änderungen ergaben sich daraus jedoch nicht.

Der inhaltliche Aufbau von NE gliedert sich in ein – bisweilen ausgesprochen lesenswertes – Geleitwort, einige Leitartikel, die sich weitgehend mit ausgesuchten Themen befassen, sowie eine Fülle von Rubriken mit Kurzmeldungen (Zeitschriftenschau, Euro-Rechte, Nachrichten von links, Zeitgeschehen, Aktuelles aus Multikultopia), die den interessantesten Teil der Zeitschrift darstellen. Eher ermüdend wirken hingegen empörte Kommentare über Ungerechtigkeiten gegen das eigene politische Lager und moralische Anklagen des Verfalls der Gesellschaft.

Völlig unzureichend ist auch die intellektuelle Debatte in der vom politischen Gegner als "Theorieorgan" bezeichneten Zeitschrift, die oft eine merkwürdige Scheu gegenüber ambivalenten Auseinandersetzungen mit aktuellen Erscheinungen des deutschen Kulturlebens an den Tag legt. Es ist ein tragisches Dilemma für NE, das Wort "Kultur" in den Leitartikeln zwar oft im Mund zu führen, es aber nicht zu schaffen, regelmäßige Seiten für kulturelle Themen zu reservieren. Theater-, Konzert- oder Filmbesprechungen, Musikrezensionen, Ausstellungsberichte, Interviews mit Kulturschaffenden sucht man vergeblich. Der offensive Weg nach außen wurde von den verantwortlichen Herausgebern und maßgeblichen Mitarbeitern um Peter Dehoust, Harald Neubauer und Karl Richter bislang kaum gesucht. Dadurch läuft man jedoch Gefahr, sich relativ wirkungslos im Kreis zu drehen und primär von jenen gelesen zu werden, die ohnehin schon derselben Meinung sind und diese lediglich bestätigt sehen möchten.

Ob NE die Chance nutzt, zu einem modernen rechten Monatsjournal zu werden, mit einer Mischung aus differenzierten Politik-Kommentaren, aktueller Kulturdiskussion und einigen "Szene"-Berichten und Insider-Meldungen, dazu mit einem ansprechenden neuen Design versehen, ist noch offen. Es wäre der Zeitschrift jedoch zu wünschen.

"Nation & Europa" (Postfach 2552, 96414 Coburg) erscheint monatlich. Das Jahresabo kostet 136 DM, für Schüler, Studenten und Soldaten 90 DM.


 
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