© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Israel: Einer Reisegruppe der "Deutschen Konservativen" wurde die Einreise verweigert
In Istanbul zur Umkehr gezwungen
Kai Guleikoff / H.-P. Rissmann

In den Morgennachrichten des 10. November 1998 erfuhren Rundfunkhörer und Fernsehzuschauer von einem "Zwischenfall mit einer Gruppe Rechtsradikaler", die am 9. November an Bord einer Linienmaschine der Lufthansa in Israel landen wollten. Namentlich genannt wurde dabei Heinrich Lummer, ehemaliger Innensenator von Berlin und kürzlich noch Bundestagsabgeordneter der CDU. Im Wortlaut hieß es weiter, daß sich in der über dreißigköpfigen Reisegruppe "alte Nazis" befunden hätten. Die Öffentlichkeit in Israel sei durch die eigene Presse auf diesen Besuch hingewiesen worden. Israelische Regierungsstellen hätten daraufhin den Vorstand der Lufthansa gebeten, die unerwünschten Personen nicht zum Zielort zu befördern. Die Lufthansa-Maschine sei daher in Istanbul unplanmäßig zwischengelandet und die "Rechtsradikalen" seien dort von Bord gegangen. In einer späteren Meldung wurde noch Joachim Siegerist genannt, der "bereits in Deutschland rechtskräftig verurteilt" worden sei, am Flug aber nicht teilgenommen hätte.

Hintergrund: Der Hamburger Verein "Die Deutschen Konservativen" hatte seine alljährliche Israel-Fahrt für ausgewählte Mitglieder und Förderer geplant. Wie Heinrich Lummer, seit kurzem Ehrenpräsident des konservativen Verbandes, gegenüber der jungen freiheit nach seinem Rückflug aus der Türkei kurz vor Redaktionsschluß erklärte, habe das Auswärtige Amt Israels durch einen Zeitungsartikel aufgeschreckt, überreagiert. Eine israelische Tageszeitung hatte gemeldet, eine Gruppe deutscher "Rassisten" plane die Einreise nach Israel. Ohne nähere Hintergründe zu kennen, habe man schließlich die Lufthansa gezwungen, in Istanbul zwischenzulanden. Der Kapitän habe, so Lummer, während des Fluges den 33 Passagieren der Reisegruppe mitgeteilt, daß ihnen die Landeerlaubnis verweigert werde.

Nachträglich will Lummer erfahren haben, daß den israelischen Behörden lediglich eine mögliche Einreise des Vereinsvorsitzenden Joachim Siegerist ein Dorn im Auge gewesen wäre. Siegerist selbst war aber aus Termingründen überhaupt nicht bei der Reisegruppe gewesen.

Kurz nach dem Zwischenfall bemühten sich "Die Deutschen Konservativen" um Richtigstellungen bei der Israelischen Botschaft. In einem Schreiben vom Montag wird betont, daß sich unter den Reiseteilnehmern nicht ein "alter Nazi" befunden hätte, wie Zeitungen behauptet hatten. Zitat: "Alle älteren Reiseteilnehmer hatten rechtzeitig vor Antritt der Reise nach Israel von Ihrer Botschaft ein Visum erhalten... Die Reisegruppe stand unter der Leitung des CDU-Politikers Heinrich Lummer aus Berlin, des katholischen Pfarrers Winfried Pietrek und des israelischen Fremdenführers Gabriel Lechner aus Tel Aviv. Herr Lechner hatte noch gestern Ihrem Innenministerium persönlich mitgeteilt, daß er schon mehrere Gruppen unseres Verbandes durch Israel geführt hat und er dabei keine Nazis gesehen hat."

In einer Stellungnahme von Dienstag äußert sich Siegerist: "Zwischen unserem Verband und der Religiösen Jüdischen Gemeinde Rigas besteht seit mehreren Jahren ein schriftlicher Freundschaftsvertrag. Wir helfen dieser Gemeinde – seit dem Zusammenbruch des Kommunismus – massiv mit erheblichen Geldbeträgen. Die Religiöse Jüdische Gemeinde in Riga hat am Jüdischen Friedhof eine Gedenktafel mit meinem Namen angebracht. Der Grund: Der Aufbau dieser Friedhofsmauer wurde von uns finanziert. Ein Großteil der notwendigen Renovierungskosten der einzigen Synagoge in Riga wurde von uns finanziert. Ich gehöre über mehrere Jahre dem lettischen Parlament als Abgeordneter an. Mitglied ’meiner’ Partei war und ist auch Michael Arons, langjähriger Vorsitzender der Religiösen Jüdischen Gemeinde Rigas. Ich werde in Lettland wegen meiner offenen Sympathie-Erklärungen für Israel von der Faschisten-Partei ’Vaterland und Freiheit’ als ’Judenfreund’ verteufelt.Einer der Hauptgründe: Ich hatte erklärt, daß ich nach einem erwünschten Wahlsieg meiner Partei in Lettland die lettische Botschaft in Tel Aviv sofort nach Jerusalem verlegen würde." An anderer Stelle erklärt Siegerist der israelischen Botschaft seine Schwierigkeiten auch in Deutschland. Zitat: "In rechtsradikalen Blättern – u.a. in denen des Münchner Verlegers Frey – werde ich wegen dieser Reisen und wegen meiner ständigen Pro-Israel-Erklärungen regelmäßig als ’Juden-Freund’ beschimpft."

Siegerist kündigte nun an, seine für den 15. November geplante Reise nach Israel auf jeden Fall wahrnehmen zu wollen: "Nach dieser skandalösen Behandlung und offenen Diskriminierung unserer Gruppe bin ich nicht bereit, einfach zur Tagesordnung überzugehen." Siegerist verlangt eine Begründung der Einreiseverweigerung und eine öffentliche Entschuldigung seitens der israelischen Behörden.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen