© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Kino: Steve Miners Horror-Fortsetzung "Halloween H20"
Michael Myers Rückkehr
Werner Olles

Haddenfield, Illinois, 31. Oktober 1963. Im ersten Stockwerk eines kleinen Einfamilienhauses verabschiedet ein junges Mädchen ihren Freund. Unten greift eine Hand nach einem Tranchiermesser, jemand zieht sich eine Maske über und fällt über das Mädchen her, das nackt vor dem Spiegel sitzt. Einmal, zweimal, immer wieder wird zugestochen. Es ist Halloween, eine Nacht des Grauens. Die Kamera fährt zurück und offenbart dem Zuschauer den brutalen Mörder. Es ist der sechsjährige Bruder der Getöteten.

Mit diesen Bildern, effektvoll unter Einsatz subjektiver Kameraführung gedreht, begann vor zwanzig Jahren jener Film, den sein Regisseur John Carpenter – gerade mal 30 Jahre alt – für kaum 300.000 Dollar in knapp drei Wochen in Szene gesetzt hatte, und der etwa 55 Millionen Dollar einspielen sollte.

Carpenter schuf mit Halloween jedoch nicht nur den Klassiker des ultimativen Horrorfilms, indem er im gleichen Film den Psychokiller 15 Jahre später noch einmal zum Messer greifen ließ, unter seinen Händen geriet die eigentlich recht banale Geschichte zu einem direkten und handwerklich geschickt inszenierten Film, dessen Vordergründigkeit dadurch ihren Reiz erhielt, daß der Regisseur in den letzten Einstellungen die Story von der Ebene der Realität loslöste.

Der Ehrlichkeit halber hätte Steve Miner sein "Halloween H20" als "Halloween Teil VII" erscheinen lassen müssen, aber es ist mehr als berechtigt über die fünf Fortsetzungen dazwischen den Mantel des Schweigens zu decken, obwohl Carpenter auch hier zum Teil für Produktion und Drehbuch verantwortlich war und seine Stars Jamie Lee Curtis und Donald Pleasence – der kurz nach Ende des Drehs von "Halloween VI" verstarb – dabei waren.

Zwanzig Jahre sind seit jener Blutnacht in Haddonfield vergangen. Laurie Strode, die als Babysitterin damals erleben mußte wie ihre Freunde von Michael Myers ermordet wurden, ist inzwischen Schuldirektorin eines kalifornischen Kleinstadtinternats und selbst Mutter eines Sohnes im Teenager-Alter. Aber die Vergangenheit läßt nicht los, immer noch wird sie in schrecklichen Alpträumen von dem Killer heimgesucht. Aus Vorsicht hat sie einen falschen Namen angenommen, ihre Ängste versucht sie mit Alkohol vergeblich in den Griff zu bekommen. Laurie glaubt nach wie vor nicht, daß ihr Bruder Michael tot ist. Und sie behält recht. Als die Kinder wieder mit ihren Masken auf den Straßen auftauchen und die Halloween-Nacht hereinbricht, kommt auch Michael Myers wieder zurück. Und Laurie muß noch einmal um ihr Leben kämpfen, denn ihr Bruder will beenden, was ihm vor 20 Jahren in Haddonfield nicht gelang. Für Laurie Strode beginnt erneut eine Nacht des Grauens…

Natürlich spielt Jamie Lee Curtis – die "Scream-Queen" des Horrorfilms – wieder die Rolle der Laurie, sozusagen als Hommage an ihre zahlreichen Fans. Mit dabei ist auch ihre Mutter Janet Leigh ("Psycho") in einer kleinen Rolle. Die übrigen Darsteller darf man ruhigen Gewissens aus dem Gedächtnis streichen. Löblich ist, daß Steve Miner an die Mythen früherer Epochen anknüpft, indem er den privaten Horror, der in die Sphäre der intakten Familie eintritt und die scheinbare Idylle von Langeweile, Geschwätzgkeit, Oberflächlichkeit und typisch amerikanischer College-Atmosphäre zerstört, thematisiert. Als "Personifizierung des Bösen"stellt er den wahnsinnigen Killer auf eine irrationale Ebene, ein Gag, der metaphysisch oder ironisch gemeint sein kann. Daß Laurie und Michael bereits schizophrene Züge aufweisen, ist ein Hinweis darauf, daß Opfer und Täter gleichermaßen ein grauenvolles Geheimnis haben.

Steve Miners Gefühl für das Genre hat ihn einen Horrorfilm inszenieren lassen, wie er sein soll: drastisch klar, ohne pseudo-moralische Botschaften und artifizielle Ambitionen. Kein Grusel aus der Mottenkiste, sondern klassischer Horror.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen