© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Zeitschriftenkritik: Die "Arbeiterstimme" pflegt ihre Ressentiments
Neidgehabe gegenüber PDS-Genossen
Werner Olles

Die KPD-Oppositio n (KPO) der zwanziger Jahre um August Thalheimer, Heinrich Brandler und Paul Fröhlich konnte es zwar zu keinem Zeitpunkt zu einer Mehrheit in der Partei bringen, schaffte sich aber durch eine eigene politische Theorie und eine programmatische Kritik des Programmentwurfs der Kommunistischen Internationale (VI. Weltkongreß) immerhin eine Plattfoprm, von der aus sie die – ihrer Meinung nach – linksabweichlerische KPD-Führung angriff. Eine Zeitlang neigte auch Clara Zetkin dem antistalinistischen Kurs der KPO zu, fürchtete aber wohl zu Recht als "Rechtsabweichlerin" diffamiert oder gar liquidiert zu werden, wie dies in der Tat einigen KPO-Genossen mit trotzkistischen Neigungen in sowjetischen Schauprozessen passierte.

In dieser Tradition der KPO steht die nunmehr im 27. Jahrgang erscheinende Vierteljahreszeitschrift Arbeiterstimme, die von einer gleichnamigen Gruppe herausgegeben wird. Als "Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis" führt sie nicht mehr und nicht weniger als die Parole "Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiter selbst sein" in ihrem Untertitel. Dies ist bereits ein deutlicher Hinweis darauf, daß sich die Arbeiterstimme grundsätzlich von anderen linksradikalen Publikationen und Organsiationen unterscheidet, die sich als "Organ" oder "Partei der Arbeiterklasse" verstehen.

Die Arbeiterstimme plädiert vielmehr für eine kontinuierliche Mitarbeit ihrer Mitglieder und Sympathisanten in allen gewerkschaftlichen Gremien und Funktionen. Daß dies zu einem platten Ökonomismus führen muß, wird offensichlich klaglos hingenommen. Von "politischer Theorie" ist dann jedoch kaum noch etwas zu spüren, statt dessen macht man sich Gedanken, wie die "antifaschistische Zurückhaltung der Werktätigen in Ostdeutschland" zu erklären ist und warum bei den Gegendemonstrationen der Linken zumeist nur "hauptamtliche Gewerkschafter und Funktionäre von PDS, SPD und Grünen, aber kaum Arbeiter und Angestellte aus den Betrieben" zu sehen sind. Immerhin erkennt man noch, daß "das antifaschistische Erbe der deutschen Arbeiterbewegung weitgehend der unglaubwürdigen SED-Politik zum Opfer gefallen ist".

Bahnbrechende Erkenntnisse sind von der Arbeiterstimme nicht zu erwarten. Daß ihre alten Vorbilder 1928/29 als "Rechte" diffamiert und schließlich schmählich aus der KPD ausgeschlossen wurden, sich dann aber einen eigenen organsiatorischen Rahmen gegeben haben und einige originelle linke Theorienansätze hervorgebracht haben, hat die Arbeiterstimme bis heute augenscheinlich nicht beflügeln können, es den alten Kämpen nachzutun. So bleibt es bei Ressentiments gegenüber den "rechten Klassenfeinden" und einem gewissen Neidgehabe gegenüber der PDS und anderen organsierten Genossen. Für die "Befreiung der Arbeiterklasse" ist das allerdings ein bißchen zu wenig.

 

"Arbeiterstimme" erscheint viermal im Jahr. Das Jahresabo kostet 25 DM. Bezug: Thomas Gradl, Postfach 91 03 07, 90261 Nürnberg.


 
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