© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Annette Schavan
Forsch und elitebewußt
Klaus Zach

Wenn die Sozis die Wahl nicht gewonnen hätten, wäre die Welt für die Union vor ihrem Bundesparteitag noch in Ordnung. Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel könnte stellvertretender Bundesvorsitzender bleiben, seine Kultusministerin Annette Schavan würde nach Bonn gehen, und der Stuttgarter CDU-Fraktionschef Oettinger wäre eine potentielle Konkurrentin los.

Die steile Polit-Karriere der 43jährigen unverheirateten Theologin und Erziehungswissenschaftlerin aus dem Rheinland begann, als Erwin Teufel sie vor drei Jahren in seine Regierungsmannschaft rief. Als Seiteneinsteigerin mißtrauisch beäugt, erwarb sich die gern hinter mausgrauem Kostüm und ausladender Brille getarnte Ministerin durch professionelle Regierungsarbeit Respekt. Die Vizepräsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, die klar im linksliberalen Süssmuth-Flügel verankert ist, war schon 1993/94 im Schattenkabinett des niedersächsischen CDU-Chefs und künftigen Mit-Bundesvize Christian Wulff als Kultus- und Frauenministerin vorgesehen. Bevor Teufel sie holte, war Schavan Leiterin der Bischöflichen Begabtenförderung "Cusanuswerk".

Ihr strammer linkskatholischer Stallgeruch hinderte Annette Schavan daher auch nicht, sich als Ministerin auf dem Gebiet der Elitenförderung zu profilieren. Vorstöße zur Korrektur der Oberstufenreform und zur Einführung eines fünften Abiturprüfungsfaches, die sämtlich zuverlässig am Widerstand der Kultusminister-Konferenz scheiterten, erregten Aufmerksamkeit bei konservativ Gesinnten und irritierten weniger flexible Linksliberale.

Bundesweit ins Gespräch kam Annette Schavan, als sie einer Muslimin, die mit Kopftuch unterrichten wollte, die Übernahme in den Schuldienst verweigerte. Nicht daß die sonst so elitebewußte Kultusministerin ihre multikulturelle Grundeinstellung geändert hätte: Das Referendariat mit Kopftuch hatte sie schließlich derselben Person anstandslos genehmigt. Ein Antrag der Republikaner auf generelles Kopftuchverbot an Schulen und Hochschulen, der einen Aufstand des rechten CDU-Flügels zu provozieren drohte, hatte den Sinneswandel bewirkt. Die forsche Linkskatholikin weiß, was man den Leuten gerade noch zumuten kann, und ist klug genug, aussichtslose Positionen rechtzeitig zu räumen und dies dann auch noch als Erfolg zu verkaufen.

Mit seinem Intrigenspiel hat Wolfgang Schäuble eine jüngere und besser verkäufliche Frau Süssmuth aus dem Hut gezaubert. Der aus dem Amt gemobbte Teufel, der dem neuen Parteichef unverhohlen mit seinen guten Verbindungen in andere Landesverbände droht, hat seinem Star volle Unterstützung versprochen. Und Günther Oettinger muß weiter fürchten, daß der Ruf nach einer Ministerpräsidentin ertönt, wenn er nach altem Brauch darangehen sollte, Teufel abzusägen.


 
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