© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Bundesbank: Lafontaine und die SPD greifen die Unabhängigkeit der Notenbanken an
Griff zum Spargroschen
Bernd-Thomas Ramb

Vor gut einem Jahr blies der damalige Finanzminister Waigel zum Sturm auf die Bundesbank. Deren Goldreserve war das Ziel seiner Begierde, genauer deren Höherbewertung, um dadurch den Bundesbankgewinn künstlich zu erhöhen. Waigel scheiterte, weil er sich letztlich scheute, ein absolutes Tabu zu brechen: die Autonomie der Bundesbank in Frage zu stellen. Der neue Finanzminister hält sich nicht mit politischen Anstandsfloskeln auf. Für Waigels Nachfolger Lafontaine gehört zum selbstverständlichen Bestandteil der sozialistischen Wende: die Autonomie der Bundesbank hat sich künftig dem Diktat der staatlichen Wirtschaftspolitik zu beugen.

Das Auftaktgefecht im sozialdemokratischen Kampf um die Herrschaft über das Geldwesen durfte der neue SPD-Staatssekretär im Finanzministerium, Claus Noè, in der vom letzen SPD-Kanzler Helmut Schmidt herausgegebenen Wochenzeitung Die Zeit führen. Sein Angriffsziel war der nur noch kurze Zeit amtierende Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer, vor seiner Bundesbankzeit selbst Staatssekretär im Finanzministerium. Kollege Noè meint nun, ihm eine "vordemokratische, absolutistische Politik" vorwerfen zu müssen. Tietmeyer versuche, Geld zu entpolitisieren, wolle keinen öffentlichen Diskurs über die Geldpolitik und halte sich für unfehlbar, weil er nicht glaube, daß dieser der Erkenntnis diene.

Natürlich steckt hinter dem Angriff auf Tietmeyer ein Angriff auf die Deutsche Bundesbank. Und dies in zweifacher Stoßrichtung. Zum einen stört die SPD die Unabhängigkeit dieser letzten von ihr noch nicht beherrschten Institution. Bundesbänker sind in ihren Entscheidungen autonom und auch der Bundesregierung keine Rechenschaft schuldig. Deshalb haben alle Regierungschefs seit Konrad Adenauer immer wieder versucht, über die allein in ihrem Machtbereich stehende personelle Besetzung der Bundesbank Einfluß auf die Geldpolitik zu nehmen. Alle sind dabei bisher gescheitert, selbst der damalige SPD-Kanzler Helmut Schmidt. Dem "Geist der Bundesbank" ist offensichtlich so nicht beizukommen. Es bleibt nur die Stoßrichtung der geregelten Einflußnahme auf die Entscheidungen von Außen. Eine an die Anweisungen der Bundesregierung gebundene Bundesbank ist aber im Gesetz nicht vorgesehen.

Dies wirkt um so ärgerlicher, je weniger die Geldpolitik der Bundesbank mit den Vorstellungen der Regierung übereinstimmt. Und da liegt das zweite, inhaltlich motivierte Angriffsziel der SPD. Lafontaines Stellvertreter Noè meint zu wissen, daß Geldwertstabilität wahlweise mit hoher oder mit niedriger Arbeitslosigkeit erreichbar sei. Eine verwegene Ansicht, denn wenn dies so wäre, müßte der Bundesbank in der Tat böse Absicht unterstellt werden. Lafontaine formuliert daher vorsichtiger und hält der Bundesbank eine gesamtwirtschaftliche Verantwortung vor. Sein Kanzler, Gerhard Schröder, versteift sich sogar in der Behauptung, die Bundesbank habe das Ziel des Wirtschaftswachstums zu verfolgen.

Übereinstimmung zwischen allen dreien besteht jedoch in dem Vorschlag, zu welchem Zwecke auch immer das Mittel der Zinssenkung einzusetzen. Zinssenkungen dienen vornehmlich der Entlastung der Staatsverschuldung und damit der Neigung, den staatlichen Schuldenberg aufzustocken, eine klassische Domäne sozialistischer Wirtschaftspolitik. Letztlich steckt dahinter der ewige Wahn, der englische Nationalökonom Keynes könne doch irgendwann einmal recht mit seiner Ansicht erhalten, durch Staatsverschuldung ließe sich Arbeitslosigkeit dauerhaft bekämpfen. Seitdem die deutschen Nationalsozialisten das keynesianische Experiment erstmals und zum Beifall ihres Erfinders ausprobierten, ist die Unwirksamkeit dieses Instruments ebenso bekannt, wie seine sichere Nebenwirkung einer Zerstörung der Geldstabilität gewiß ist. Auf sozialistische Regierungen, gleich welcher Couleur, übt der Keynesianismus jedoch ungebrochen seine Faszination aus. Zuletzt auf die im Euro vereinten, sozialistisch regierten EU-Staaten und nun auf die deutsche Sozialdemokratie.

Unbeantwortet bleibt bis hier die Frage, warum Lafontaines Vorstoß so vehement auf die Bundesbank ausgerichtet ist. Geht deren geldpolitische Kompetenz doch zum Jahreswechsel auf die Europäische Zentralbank (EZB) über. Warum wird also auf einen Sterbenden noch eingedroschen? Bloße Rachegelüste scheiden bei einem als kaltblütig bekannten Finanzminister aus. Eher besteht die Vermutung, daß auf dem Manövergebiet Deutsche Bundesbank die künftigen Schlachten bei der EU-einheitlichen sozialistischen Disziplinierung der EZB-Politik geprobt werden soll. Dem widerspricht allerdings die zurückhaltend, aber dennoch deutlich formulierte Kritik des französischen Staatspräsidenten am Vorpreschen Lafontaines in Fragen der EZB-Bevormundung, obwohl diese eigentlich eine originäre Idee Frankreichs ist.

Es bleiben zwei restliche Verdachtsmomente. Erstens könnte die in den Augen der SPD verfehlte Geldpolitik der Bundesbank der letzten Tage zur Entschuldigung des sozialdemokratisch verursachten Wirtschaftsdesasters herhalten oder zumindest den Unmut der Bevölkerung über den ausbleibenden Wirtschaftsaufschwung für einige Zeit auf den Sündenbock Bundesbank lenken. Diese Erklärung hält jedoch nur kurzfristig und begründet nicht die Intension Lafontaines, einen politischen Einfluß auf die deutsche Zentralbank gewissermaßen dauerhaft zu etablieren. Die zweite Vermutung könnte darin liegen, daß auch die SPD ein mögliches Scheitern des Euro nicht ausschließt. Dann wäre wieder allein die Deutsche Bundesbank für die Geldpolitik verantwortlich. Für diesen Fall gilt es schon jetzt, eine sozialistische Wirtschaftspolitik zu Lasten der Geldstabilität in Deutschland legalistisch abzusichern.


 
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