© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/98  30. Oktober 1998

 
 
Schönbohm als Hamlet
von Heinrich Lummer

"Es ist was faul im Staate Dänemark", meint Prinz Hamlet über den Zustand seines Landes. Doch er freute sich keineswegs über die Aufgabe, diesen Zustand wieder einrenken zu sollen.

Als die Wiedervereinigung kam, kam General Jörg Schönbohm in die neuen Länder, um NVA und Bundeswehr zusammenzufügen. Er kam und löste die Aufgabe. Als in Berlin wegen der Besetzung des Innensenators, eines wahren Himmelfahrtskommandos, wieder mal Not am Mann war, übernahm Schönbohm das Amt und erfüllte seine Aufgabe mit Bravour.

Als der Zustand der CDU in Brandenburg, der seit Jahren faul ist, so hoffnungslos wurde, daß sich auch kein vermeintlicher Retter mehr fand, rief man Jörg Schönbohm. Und abermals erklärte sich der pflichtbewußte Konservative bereit, sich der Herausforderung zu stellen. Ob er am Ende siegen wird, ist fraglich. Trotzdem mochte sich Schönbohm dem Ruf seiner Partei nicht verweigern. Und weil der Zustand eines Landes, das den Charakter eines Parteienstaates hat, immer auch von dem Zustand der tragenden Parteien abhängt, versteht Schönbohm seine Aufgabe zu Recht als eine für das ganze Gemeinwesen. Die regierenden Sozialdemokraten – und in den Kommunen die alten roten Genossen – haben sich vieles unter den Nagel gerissen und kennen kaum mehr eine kontrollierende solide Oppostion. In dieser Situation sagt der Ex-General ganz bewußt: Ich bin bereit. Nur winken hier nicht der Einzug ins Kanzleramt und die Attribute der Macht. Die Entscheidung Schönbohms nötigt nicht zuletzt auch deshalb Respekt ab.

Dabei erwarten ihn in Brandenburg vor allem Schweiß und Ärger. So wie die Eingliederung der NVA in die Bundeswehr ist die Aufgabe in Brandenburg ein Stück Aufbau Ost. Doch mit dem Noch-Innensenator kommt kein wirklicher "Wessi", sondern ein ebenso geborener wie überzeugter Brandenburger, der die Partei "disziplinieren und integrieren" muß. Erfolg wird es nur dann geben, wenn alle Beteiligten diesen Erfolg auch wirklich wollen. Deshalb kann man der Brandenburger Union nur wünschen, die Führungsqualitäten Schönbohms anzuerkennen. Natürlich kann sich dann nicht mehr jeder selbst verwirklichen oder nach der eigenen Façon selig werden.

Wenn die Brandenburger sehen, daß es mit der CDU im Land unter der Führung von Schönbohm wieder bergauf geht, werden viele ihr die Stimme künftig nicht mehr verweigern. Dazu müssen alle am Erfolg teilhaben wollen.


 
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