© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    43/98  16. Oktober 1998

 
 
Forschung: Neue gesundheitliche Gefahren durch Dieselabgase
Krebsauslöser Nitrobenzanthron
von Ulrich Karlowski

Das Ausmaß der gesundheits- und umweltschädigenden Auswirkungen von Dieselabgasen wird immer noch unterschätzt. Dies wurde auf dem 8. Europäischen Pneumologie-Kongreß in Genf wieder einmal deutlich, als Asthmaforscher aus Schweden und Großbritannien alarmierende Forschungsergebnisse veröffentlichten. Danach zeigten sich bei gesunden Menschen, die Dieselabgaskonzentrationen ausgesetzt wurden, die typisch für Parkhäuser, Tunnels oder verstopfte Straßen sind, im Blut und in den Atemwegen akute Entzündungserscheinungen.

Das Forscherteam hatte im Universitätskrankenhaus von Umea in Schweden 15 gesunde Nichtraucher eine Stunde lang den Abgasen ausgesetzt. Sechs Stunden später war die Zahl der Abwehrzellen in den Schleimhäuten und Atemwegen der Testpersonen dreimal so hoch wie normal, Zeichen für eine heftige Entzündung. Zwar stritten die Experten noch darüber, ob die allgemeine Luftverschmutzung zu einer Asthmaerkrankung führen kann, einig war man sich aber, daß sie den Verlauf der Asthmaanfälle verschlimmert. Dies wurde in Genf anhand mehrerer Studien belegt.

Bereits im vergangenen Jahr hatten japanische Wissenschaftler von der Universität Kyoto eine neuartige Substanz in den Auspuffgasen von Dieselfahrzeugen entdeckt, die als extrem krebsauslösend eingestuft wurde. Der Stoff mit dem Namen Nitrobenzanthron soll sogar die stärkste bislang festgestellte Fähigkeit aufweisen, Erbmaterial zu verändern und damit Krebs auszulösen. Nach Ansicht der Wissenschaftler muß der Anstieg von Lungenkrebs in Ballungsgebieten ganz klar auf derartige krebserregende Stoffe zurückgeführt werden. Dieselrußpartikel sind auch wesentlich am Auftreten von Allergien beteiligt. Dies zeigte eine vergleichende Untersuchung von je 110 Londoner Schulkindern aus einer sehr verkehrsreichen Wohngegend und einem Vorstadtwohnviertel. Die in dem verkehrsreichen Gebiet aufwachsenden Kinder wiesen eine doppelt so hohe Anfälligkeit für allergische Reaktionen auf.

Hauptverursacher der schädlichen Abgase, die zusätzlich noch gehörige Mengen ozonbildender Stickoxide enthalten und damit für das Auftreten von Sommersmog verantwortlich sind, sind Lkw und Busse. So kritisiert das Umweltbundesamt (UBA), daß gerade bei der Schadstoffminderung bei Dieselfahrzeugen die Gesetzgebung auf europäischer Ebene derzeit hinter den Notwendigkeiten und technischen Möglicheiten zurückbleibe. Eine Änderung sei um so dringlicher, so das UBA, da der Güterverkehr auf der Straße bis 2010 um rund 30 Prozent zunehmen dürfte. Eine Verbesserung erhofft man sich von einem Vorschlag der EU-Kommission zu einer Verschärfung der Abgaswerte für Lkw und Busse, über die der EU-Umweltministerrat im Dezember dieses Jahres beraten wird.


 
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