© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/98  09. Oktober 1998

 
 
Dokumentation: Das "Schwarzbuch" des Bundes der Steuerzahler
Luxus aus der Steuerkasse
JF

Zum 26. Mal hat der Bund der Steuerzahler (BdSt) sein "Schwarzbuch" über die Verschwendung öffentlicher Steuergelder vorgelegt. Nach Angaben von BdSt-Präsident Karl Heinz Däke werden Finanzmittel in einer Größenordnung von rund fünf Prozent der öffentlichen Ausgaben vergeudet, also rund 65 bis 70 Milliarden Mark. Nachfolgend dokumentieren wir aus dem "Schwarzbuch" einige Beispiele.

l Berlin. 3.600 Quadratmeter groß ist das Grundstück, das vom Bezirksamt Prenzlauer Berg angemietet wurde, um dort eine Jugendverkehrsschule zu betreiben. Bei einer Monatsmiete von 9.000 Mark ergeben sich für die vereinbarte Laufzeit Mietzahlungen in Höhe von 540.000 Mark. Nach Übernahme des Besitzes ließ das Bezirksamt das Grundstück, auf dem störende Schuppen und Baracken standen, für 208.900 Mark räumen. Rechnet man die Planungskosten aus diesen drei Positionen hinzu, so ergibt sich für das Land Berlin ein Gesamtschaden aus Abschluß des Mietvertrages von über 807.000 Mark. Und von Schaden kann man schon reden, denn das Grundstück kann – wie das Bezirksamt bestätigt hat – während der gesamten Laufzeit des Vertrages nicht genutzt werden.

l Thörey. Mit der Auslastung des Gewerbeparks Thörey/Ichtershausen scheint es voran zu gehen. Nur wird der Blick des nicht durch Gesetze und Bauvorschriften vorbelasteten Betrachters durch die vielen vorhandenen Radwege getrübt. So gut wie alle das Gebiet durchziehenden Straßen haben beidseitig neben einem Gehweg auch einen 1,2 Meter breiten Radweg. Rund 11,8 Kilometer kommen so zusammen. Die Radwege enden am Rand des Gewerbegebietes. Eine Verbindung zur Ortschaft Thörey fehlt, denn die meisten Arbeitnehmer erreichen motorisiert ihren Arbeitsplatz. Vor den Firmen sucht man Fahrradständer vergeblich, dafür sind reichlich Parkplätze vorhanden. Und so findet das Grün seinen Weg durch das rote Verbundpflaster. Daß gar kein Fahrrad dort fährt, kann man nicht sagen. Zumindest ein Kinderrad vor einem Wohn- und Geschäftshaus wurde bereits gesichtet. Eine Anfrage zu den Kosten für die Radwege blieb durch die Gemeindeverwaltung Ichtershausen unbeantwortet. Nach eigenen, vorsichtigen Berechnungen kosteten die Fahrradwege etwa 1.132.800 Mark netto.

l Kiel. Seit vielen Jahren leiden die Kieler schon unter dem Problem, daß das Rathaus in der Innenstadt zu klein ist, um alle städtischen Dienststellen und Ämter aufzunehmen, so daß die Stadtverwaltung im ganzen Stadtgebiet in angemieteten Räumen verteilt ist. Als Lösung war schon lange ein neues Rathaus angedacht. Die Gelegenheit zur Verwirklichung der Träume bot dann die Umstrukturierung der Deutschen Post AG. Wenige 100 Meter vom alten Rathaus entfernt bot die Post der Stadt ein hochmodernes Verwaltungsgebäude zum günstigen Preis von 45 Millionen Mark an. Hier hätten nun alle ausgelagerten Dienststellen Platz. Die Stadtväter waren begeistert und griffen im Herbst 1996 beherzt zu. Heute, zwei Jahre später, steht das "Neue Rathaus" weitgehend leer, denn der Leerstand ist immer noch kostengünstiger als ein Umzug der vorgesehenen Dienststellen und Ämter. Die Stadtverwaltung fing nämlich erst nach dem erfolgten Kauf an, genau zu rechnen, wie hoch die notwendigen Umbaukosten sein würden. Die festgestellten fast 14 Millionen Mark stehen aber in der Finanzplanung nicht zur Verfügung. Ebenso hat eine Überprüfung der bestehenden Mietverträge für die ausgelagerten Behörden ergeben, daß sie zum größten Teil langfristig ohne vorzeitiges Kündigungsrecht abgeschlossen wurden. Vorerst bleibt also der Leerstand günstiger als der Umzug…

l Flensburg. Beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg ist offenbar die Zeit stehengeblieben: Datenhaltung, Anwendungssoftware und Verfahrensabläufe entsprechen dem Entwicklungsstand der 70er Jahre. Durch mehrfache Datenhaltung entstehen im Zentralen Fahrzeugregister jährlich rund 200.000 Fehler. Um die wieder auszubügeln, werden mehr als 30 Mitarbeiter beschäftigt. Für die Flensburger Behörde sind das "gewachsene Strukturen, die sich im täglichen Betrieb bewährt haben". Obwohl die Schwachstellen in der Informationstechnik seit 1980 bekannt sind, sollen sie erst 1999 durch die Einrichtung einer Datenbank beseitigt werden. Bis dahin haben sich die vermeidbaren Mehrausgaben auf rund 22 Millionen Mark summiert.

l Tönisvorst. 9,5 Millionen Mark sollte der Umbau eines Bades kosten, am Ende waren es 12,5 Millionen Mark. Gründe dafür waren zum einen Extrawünsche mit unbedachten Folgekosten. So wollte die Ratsmehrheit nach Abschluß der Planungen plötzlich einen Sprungturm für das Bad. Doch das Becken war dafür nicht tief genug, es mußte teilweise neu ausgehoben werden. Die Folge: Mehrkosten in Höhe von rund zwei Millionen Mark. Geradezu explodiert sind mittlerweile die Schulden der stadteigenen Bäder GmbH, die ausschließlich das Bad betreibt: In nur wenigen Jahren wurden rund 24 Millionen Mark Schulden angesammelt. Jetzt droht wegen dieser Überschuldung sogar die Einstellung des Geschäftsbetriebes, also die Schließung.

l Mainz. Gleich neben dem Erweiterungsbau des Finanzministeriums ist ein gewaltiger Kubus entstanden, in dem unter anderem auch die 101 Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtages untergebracht werden sollen. Standesgemäß hat man für die Parlamentarier eine repräsentative Einheit für Arbeiten, Schlafen und Kochen geschaffen. Jeder Abgeordnete wird ein eigenes, 21 Quadratmeter großes Appartement erhalten, das mit Kochzeile, Bett und Bad ausgestattet ist. Begründet wird dieser überzogene und im Vergleich der Bundesländer einmalige Standard mit dem Vorteil einer effektiveren Parlamentsarbeit. Kurze Wege vom Schreibtisch in die Küche und ins Bett.

l Berlin. An den Hochschulen herrscht der Rotstift. Studiengänge werden aus finanziellen Gründen aufgelöst, Bibliotheken werden nicht erneuert, und Lehrstühle fallen der Rationalisierung zum Opfer. Dafür wird der Hochschulsport mit jährlich über 8,5 Millionen Mark gefördert. Tauchen in Ägypten, Katamaran-Segeln oder Surfen auf Rhodos oder Reiten in Ungarn – alles ist möglich auf Steuerzahlers Kosten. Die Einnahmen aufgrund von Gebühren und Kostenbeteiligungen fallen mit 2,3 Millionen Mark eher bescheiden aus.

 

Das "Schwarzbuch" ist beim Bund der Steuerzahler (BdSt), Adolfsallee 22, 65185 Wiesbaden, erhältlich.


 
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