© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/98  09. Oktober 1998

 
 
Hessen: Islam-Unterricht an staatlichen Schulen
Vorreiter für Muslime
Werner Olles

Als erstes Bundesland wird das rot-grün regierte Hessen unter SPD-Ministerpräsident Hans Eichel zum Schuljahr 2000/2001 an allen staatlichen Schulen islamischen Religionsunterricht in deutscher Sprache einführen. Jedenfalls stehen die Chancen des Antrags auf Islam-Unterricht der "Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen" (IRH) nach Angaben des Kultusministeriums in Wiesbaden sehr gut. Dies würde bedeuten, daß die Islam-Lehrer vom Land bezahlt werden müßten und der Unterricht rechtlich der katholischen und protestantischen Religionslehre gleichgestellt würde.

Die IRH hatte sich vor etwa einem halben Jahr aus verschiedenen islamischen Gruppierungen gegründet und gilt als Nachfolgeorganisation des "Islamischen Arbeitskreises Hessen", in dem auch die vom Bundesverfassungsschutz beobachtete "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" sowie verschiedene türkisch-islamische Gruppen vertreten waren, die von namhaften Islam-Wissenschaftlern als fundamentalistische Vereinigungen angesehen wurden, die gegen die Integration der hier lebenden und arbeitenden Türken in die deutsche Gesellschaft Front machten.

Der "Islamische Arbeitskreis Hessen" konnte jedoch nicht als Religionsgemeinschaft auftreten, da er kein Zusammenschluß von Einzelpersonen mit gemeinsamen religiösen Überzeugungen war. So gründete man im April die IRH und rekrutierte in den MoscheeVereinen in wenigen Wochen über 1.500 Mitglieder. Deren Vorsitzender behauptet, daß die fundamentalistischen und nationalistischen Verbände des "Islamischen Arbeitskreises" mit der IRH nichts zu tun hätten. In der Tat sieht das hessische Schulgesetz vor, daß die Glaubensinhalte dem Grundgesetz nicht widersprechen dürfen, was die islamischen Glaubenslehren wohl kaum erfüllen würden, denkt man einmal an die Stellung der Frau in der Gesellschaft, die Tolerenz gegenüber Andersgläubigen, die Problematik der Polygamie, die Trennung von Staat und Religion oder Fragen der Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Die katholischen Bischöfe und die Evangelische Kirche halten sich bei der Bewertung dieser Vorgänge bislang zurück. Zum einen schwingt bei den Verantwortlichen in den beiden Volkskirchen die Hoffnung mit, daß bei einem staatlich kontrollierten islamischen Religionsunterricht die Koranschulen, in denen immer öfter rein fundamentalistische Lehren gepredigt werden, ihre überragende Stellung für die Muslime verlieren könnten. Das könnte sich jedoch als Trugschluß erweisen, da die in der Türkei oder anderen islamischen Staaten ausgebildeten Lehrkräfte, die bisher in den Koranschulen tätig waren, zumindest für eine längere Übergangszeit auch den Islam-Unterricht an staatlichen Schulen leiten werden. Immerhin kann es bis zu zehn Jahre dauern, bis diese durch Lehrer, die an einem noch zu errichtenden Lehrstuhl für "Islamische Theologie und Pädagogik" an einer hessischen Universität ausgebildet wurden, ersetzt würden.

Massiven Protest gegen das Vorhaben der Islamischen Religionsgemeinschaft Hessen hat der Verband der Lehrer an Grund-, Haupt-, Real-, Sonder- und Gesamtschulen angemeldet. Er beklagt "klare Tendenzen antideutscher, antidemokratischer, frauenfeindlicher und islamistischer Grundhaltungen" in den Schriften der Organisationen, denen die Mitglieder der IRH angehören. Auch Ausländervertreter wie der Leiter des Interkulturellen Büros in Darmstadt, Otman, oder der Frankfurter SPD-Stadtverordnete Yüksel weisen darauf hin, daß die IRH keineswegs alle in Deutschland lebenden Muslime vertrete und bestimmte religiöse Glaubensrichtungen wie die Aleviten und die pakistanische Reformbewegung der Ahmadiya ausgrenze und als Abweichler vom richtigen Glauben diffamiere. Wenig weiß man auch über die Gründer der IRH oder aus welchen Quellen sich diese finanzieren.

In Bayern und Nordrhein-Westfalen gibt es beispielsweise nur eine "religionskundliche Unterweisung" im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts. Dabei wird jedoch primär Wissen über die religiösen Traditionen und Werte der Heimatländer der Kinder unterrichtet. Warum Hessen also derart früh und positiv auf den Antrag der IRH reagiert, bleibt bislang im Dunkeln. Noch im Dezember 1997 war in Berlin ein Antrag der "Föderation islamischer Vereinigungen und Gemeinden" auf islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen mit der Begründung abgelehnt worden, es handele sich bei der Organisation lediglich um einen Dachverband und nicht – wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben – um eine Religionsgemeinschaft.

Genau dieses spezifische Glaubensbekenntnis, das mit einem alleinigen Bezug auf den Koran nichts zu tun hat, ist jedoch auch bei bei der IRH nicht gegeben. Ein – wie in Hessen geplanter – flächendeckender staatlicher Islam-Unterricht wäre also nicht nur ein völliges Novum in der deutschen Schul- und Bildungspolitik, sondern birgt zudem erhebliche Gefahren. Es würden neben den fundamentalistisch orientierten Koranschulen der Moschee-Vereine weitere orthodoxe Vertretungen des Islam an den staatlichen Schulen etabliert werden. Wer aber den Vormarsch der Islamisten in Deutschland und ganz Europa mit kritischen Augen betrachtet, kann solchen leichtfertigen Plänen der hessischen Landesregierung nur ablehnend gegenüberstehen.


 
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