© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/98  02. Oktober 1998

 
 
Pankraz,
Friedrich Rückert und die Weltklasse im Kehraus

Ein hübsches Gedicht von Friedrich Rückert, "Kehraus", mündet in die nüchterne Feststellung:"Neue Besen kehren gut; / Aber es ist besser gewesen, / Als bei den alten der Staub geruht." Man kann es auch folgendermaßen ausdrücken: Wer nur Staub aufwirbeln will, der braucht gar nicht erst anzufangen, sich als neuer Besen aufzuspielen. Ruhender Staub verursacht weniger Hustenreiz als aufgewirbelter, schlägt weniger auf die Schleimhäute, läßt klare Sicht.

Selbstverständlich ist es gut, daß die "Weltklasse" nun endlich weg ist. Sie gab zuletzt ja nicht einmal mehr einen alten Besen ab, war selber Staub geworden. Nach den Erfahrungen mit dieser "Weltklasse" wären wir im Augenblick schon mit einer ordentlichen Kreisklasse zufrieden. Ob aber "Weltklasse" oder Kreisklasse – die Aufgaben bleiben dieselben. Und sie erschöpfen sich nicht in einigen sozialen "Grausamkeiten", die man praktischerweise unmittelbar nach der Wahl erledigt, sondern betreffen den Regierungsstil im ganzen. Der ganze Regierungsstil, der ganze Staatsstil muß sich ändern, und zwar von Grund auf.

Zuvörderst: Es muß wieder wirklich regiert werden. Die "Weltklasse" hatte die Regierung, das Kabinett, faktisch abgeschafft. Alles, was normalerweise eine Regierung ausmacht: mittel- und langfristige Kursfestlegung, Meinungsaustausch und Abstimmung der herrschenden Kräfte untereinander, Entscheidungen fällen – all das war aus der Regierung ausgezogen, wurde in irgendwelchen verfassungswidrigen Koalitionsausschüssen oder sonstwo exekutiert, nur nicht in der Regierung.

Das muß sich also ändern und darüber hinaus das Gremienwesen überhaupt. Die angemaßte Macht der Parteien, die in den Jahren der "Weltklasse" wahrhaft furchterregende Dimensionen erreicht hat, muß zurückgestutzt werden. Parteien sind politische Vereine, die Wahlkandidaten vorschlagen, sie wirken laut Verfassung am politischen Leben mit, sind aber nicht identisch mit dem politischen Leben. Die gewählten Volksvertreter und die ernannte Regierung inklusive Bundeskanzler dürfen sich nichts von ihnen bieten lassen.

Weiter aber: Regierung und Parlament müssen endlich wieder die Interessen des Volkes vertreten, das sie gewählt hat. Unter dem Regime der "Weltklasse" ist Deutschland einer permanenten Ausplünderung durch fremde Länder und Organisationen ausgeliefert worden, unter unzähligen, oft geradezu grotesken Titeln. Wer hier nicht gründlich und systematisch Remedur zu schaffen wagt, der sollte die neuen Besen lieber im Schrank lassen.

Auch die Sache mit der Devise "Deutschland ist kein Einwanderungsland" gehört hierher. Die "Weltklasse" hatte der CDU/CSU bekanntlich verboten, diese Devise im Wahlkampf zu verwenden. Doch wie man es auch formulieren mag, an der Tatsache führt kein Weg vorbei, daß ein souveränes Volk auch darüber entscheiden können muß, wer zu ihm kommen darf und wer nicht und welche Kriterien der Eingliederung dabei fällig werden. Die Amerikaner praktizieren es, warum dürfen es die Deutschen nicht?

Remedur auf diesen Feldern ist eben nur möglich, wenn ein weiteres geschieht: wenn Bonn nämlich endlich damit aufhört, das nationale Selbstgefühl des Volkes permanent und planmäßig und regelrecht zu vergiften, die junge Generation in unendlicher Leier mit ominösen Dauerbußpredigten zu überziehen, das geistige Leben in einen Laufstall (oder ein Zuchthaus) zu verwandeln, mit Strafdrohungen an jeder Ecke, mit Schnüffelstaat, Geßlerhüten, Kollektivschuld-Lügen und wissenschaftlichen Forschungsverboten.

Keiner von den neuen Kehraus-Strategen sollte sich täuschen: Diese hier von Pankraz angemahnten Stil-Änderungen sind wirklich nötig, auch wenn viele einflußreiche Medien sie überhaupt nicht zum Thema machen. Wer sie ignoriert, wird Sturm ernten.

Das Angewidertsein ist jetzt schon groß, ja, übergroß, nicht zuletzt bei der jungen Generation. Wo man auch hinhört, überall artikuliert sich Verachtung gegenüber Ausschußkungelei und Parteien-Übermacht, finanzieller Ausplünderung, ungebremstem Ausländerzuzug, kriecherischer Sklavenmentalität. Die Verachtung bündelt sich in dem, was harmlose Analysierer "wachsende Politikverdrossenheit" oder auch "Politikerverdrossenheit" nennen. Eines Tages wird sich das entladen, und den Staub, der dann aufwirbelt, möchte man nicht gern schlucken.

Wie gesagt, niemand erwartet vernünftigerweise, daß die neuen Besen in Bonn ihrerseits mächtig Staub aufwirbeln, um ihre Neuheit und ihren guten Willen unter Beweis zu stellen. Ein neuer Stil ist gefordert, und "Stil" ist ungefähr das Gegenteil von aktivistischer Aufgeregtheit und hektischer Innovationshuberei. Ein guter Stilist versteht es, mit wenigen knappen Gesten kundzutun, daß jetzt ein anderer Wind weht. Entschiedenheit und Selbstbewußtsein dürfen sich ohne weiteres mit diplomatischer Eleganz und Gelassenheit verbünden, speziell auch was den Umgang mit dem Ausland, mit der von der "Weltklasse" so gefürchteten "Ostküste" betrifft.

Um noch einmal Rückert zu zitieren, gravitätisch dichtet er im gleichen Band: "Was dir noch neu ist, / Wird dich auch reizen; / Was mir schon Spreu ist, / Ist dir noch Weizen". Offenbar meint er damit, daß von einer Stil-Änderung bis zur Rezeption der Änderung durch die anderen immer eine gewisse Zeit vergeht, daß aber gerade diese Zeitspanne eine für den Stilisten besonders günstige ist, weil dann bei den anderen sein Weizen blüht.

Die anderen merken mit anerkennendem Staunen, daß sich der Stil des Betreffenden tatsächlich geändert hat, und zwar zum besseren. Sie gewöhnen sich schnell daran, vor der "Spreu" der Gewohnheit muß man keine Angst haben.


 
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