© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/98 25. September 1998

 
Kolumne
Enthüllungen
von Hans-Helmuth Knütter

Wir erleben es in diesen Tagen in den USA. Dort handeln einige Sauberkeitsfanatiker nach dem Grundsatz "Wir sind ein Teil von jener Kraft, die zwar das Gute will, jedoch das Böse schafft." Um einen verlogenen, vielleicht sogar meineidigen Präsidenten zu treffen, beschädigen sie das gesamte System.So etwas könnte bei uns nicht passieren? Schon immer hat es auch hierzulande allzuviele gegeben, die an Verschwörungen in der Politik glaubten. Dann hat die Stasi bewiesen, was vermutet wurde. Alle Institutionen, vor allem die Medien, sind infiltriert. Viele Meinungsmacher sind Marionetten an den Fäden einer verborgenen Macht. Kürzlich legte ein Buchautor, Erich Schmidt-Eenboom nach (Undercover. Der BND und die deutschen Journalisten. Köln, Kiepenheuer & Witsch 1998). Hier werden 343 Personen aus dem Journalismus in Deutschland mit Klar- und Decknamen vorgestellt. Wie der Titel des Buches sagt, haben sie meist mit dem BND kooperiert, zum Teil für den Verfassungsschutz, aber auch für die Stasi gespitzelt. Nun ist sicher nichts dagegen einzuwenden, daß ein Journalist den Geheimdienst des eigenen Landes unterstützt. Aber man fragt sich doch, was von Journalisten zu halten ist, die sich erhaben als demokratisches Gewissen der Nation aufspielen, aber in Wirklichkeit Marionetten einer geheimen Macht sind? Gewiß, Schmidt-Eenboom verbreitet miese Verdächtigungen, und einige Journalisten haben bereits rechtliche Schritte gegen das Buch eingeleitet. Aber selbst wenn nur die Hälfte oder noch weniger stimmen sollte: Es entsteht ein Horrorbild vom geistig-moralischen Zustand der Medien in Deutschland.

Überall – bei der FAZ, der Springerpresse, der Zeit, beim Spiegel und – natürlich – beim Stern, über dessen Stasiverstrickungen schon vorher Unrühmliches bekannt war, gibt es Kontaktpersonen der Geheimdienste, nicht nur des BND.

Schmidt-Eenboom weist auch auf die Geheimdienste unserer westlichen sogenannten "Freunde und Verbündeten" hin. Das Geschrei um Stasi und Ostspionage lenkt nämlich von der westlichen Infiltration ab. Die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder haben eine Rubrik über die Spionage – des Ostens. Die Tätigkeit unserer westlichen Freunde wird dervot verschwiegen.

So unerfreulich der Anlaß, so erfreulich ist die Sensibilität, die den Geheimdiensten gegenüber zunimmt. Auch wenn die Motive der Enthüller fragwürdig sind, sie erweisen sich in ihrer Wirkung als Teil von jener Kraft, die zwar das Böse will, jedoch das Gute schafft.


 
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