© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/98 18. September 1998

 
Günter Rohrmoser: Sozialphilosoph und Parteienkritiker
"Unfähigkeit und Versagen"
von Dieter Stein

Herr Professor Rohrmoser, ist das positive Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl in Bayern eine Überraschung?

ROHRMOSER: Nein, das ist es nicht. Es ist, wie es war, und es wird wohl auf absehbare Zeit auch so bleiben. Die CSU unter Stoiber hat sich über 50 Prozent stabilisiert, und wenn man sich überlegt, wo die Stimmen geblieben sind, die die CSU unter Strauß bis an die 60 Prozent herangebracht hatten, so ist das auf die Konkurrenz von Freien Wählern, von Republikanern und anderen eher rechten Parteien zurückzuführen. Mit einiger Genugtuung stelle ich fest, daß Bayern eindeutig konservativ gewählt hat. Das Land, das sich dem Zeitgeist gegenüber am resistentesten verhalten hat, steht heute wirtschaftlich, technisch, in der Bildung etc. an der Spitze aller Bundesländer. Es fügt sich in das Gesamtbild ein, das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Regionen Europas unübersehbar ist: Die Grundströmung der Zeit geht nach rechts, ins Konservative hinein.

Wie erklären Sie sich das schlechte Abschneiden der Republikaner?

ROHRMOSER: Die CSU hat sich Forderungen der Republikaner zu eigen gemacht und einige Schritte zu ihrer politischen Realisierung in die Wege geleitet. Der frühere Ministerpräsident Streibl hat vor Jahren behauptet, die Republikaner hätten von der CSU abgeschrieben – und nun ist es umgekehrt: mit dem Unterschied, daß die Forderungen der Republikaner als rechtsradikal und bekämpfenswert gelten, die gleichen Forderungen der CSU heißen aber ‘richtige Politik’. Aber auch diese Kuriosität wird sich nicht mehr lange halten lassen. Dafür wird die viel tiefer und leider auch viel radikaler rechts ansetzende Grundbewegung in den neuen Bundesländern beitragen.

Werden die Wahlen also nicht mehr in der Mitte, sondern rechts gewonnen?

ROHRMOSER: Was die CSU gemäßigt, die Republikaner schärfer formuliert fordern, ist doch nur die Erfüllung elementarer Gebote eines halbwegs gesunden Verstandes, ist die Politik von Menschen, die noch alle Tassen im Schrank haben. Es ist ein pathologischer Befund, daß solche normalen Einsichten erst eine Chance haben, verwirklicht zu werden, wenn eine als rechtsextrem abgestempelte Partei wie die Republikaner die Themen in den Vordergrund bringt.

Welche Zukunft hat die FDP?

ROHRMOSER: Wenn die FDP zur Bundestagswahl noch eine zweite Frau Schnarrenberger aufgestellt hätte, würde sie in Bayern nur auf ein Prozent kommen. Vielleicht ist das Abschneiden der FDP für den Ausgang der Bundestagswahl noch wichtiger als das Abschneiden der CSU. Interessant ist, was der Bundeskanzler dazu gesagt hat: Er hat der FDP empfohlen, sich auf ihr ideelles Erbe zu besinnen, sie solle von nationalem Erbe und Nationalstolz reden. Was bedeutet das? Kohl weiß, daß die FDP nur dann eine Zukunft hat, wenn sie die einzige Marktlücke, die es in Deutschland gibt, ausfüllt, nämlich sich zu einer nationalliberalen Kraft in diesem Lande entwickelt. Was diese FDP nicht begreift, ist, daß ihre richtigen wirtschaftspolitischen Vorstellungen nur dann die Chance haben, verwirklicht zu werden, wenn sie mehr ist als eine Bürgerrechtspartei oder eine neoliberale Wirtschaftspartei.

Welchen Einfluß hat die Bayernwahl auf die Bundestagswahl?

ROHRMOSER: Das Ergebnis wird in dieser Hinsicht überschätzt. Vor schnellen Übertragungen von Bayern auf den Bund warne ich. Psychologisch macht es vielleicht etwas aus. Es könnten einige Beinahe-Nichtwähler gemerkt haben, daß es noch Sinn hat, CDU zu wählen.

Ist das schlechte Abschneiden von Republikanern und BFB der Anfang vom Ende dieser Formationen?

ROHRMOSER: Die innere Diskussion ist ja schon losgegangen. Ich fürchte, daß die voreilige und ungerechtfertigte Bekämpfung der Republikaner als rechtsextrem dazu beitragen wird, daß nun extremere Rechtsparteien Erfolg haben werden. Sollte es eine dieser Parteien schaffen, in den Bundestag zu kommen, oder nur knapp scheitern, wird sich diese durchsetzen und auch zur Spaltung und damit zum Ende der Republikaner führen. Und im gegenwärtigen Augenblick muß man sagen, daß die DVU die größere Chance hat, sich durchzusetzen. Herr Schlierer hat sich ja für den sehr moderaten Kurs empfohlen. Er war immer bestrebt, die Republikaner so nah an der Mitte zu halten, daß sie als möglicher Koalitionspartner der Union akzeptabel wären. Das hat sich vorerst nicht ausgezahlt. Aber die Strauß-Forderung, neben der Union dürfe es rechts nichts Demokratisches mehr geben, ist heute nicht mehr gültig. Die SPD ist da klüger: sie hält sich zwei Koalitionspartner, und ist auch nicht abgeneigt, sich von der PDS tolerieren zu lassen. Der Sozialismus kann, wenn sich die sinnlose Zersplitterung auf der Rechten fortsetzt, in Deutschland wieder siegen.

Wie sollte die Zersplitterung der Rechten aufgehoben werden?

ROHRMOSER: Inhaltlich ist die Zersplitterung Unsinn. Die Konservativen könnten ja längst in die Landesparlamente, vielleicht in den Bundestag eingezogen sein. Das Wählerpotential ist doch da. Es ist die reine politische Unfähigkeit und das Versagen des politischen Führungspersonals, das es bisher unmöglich gemacht hat, auch nur fünf Prozent dieses Potentials zu aktivieren. Es ist ein grauenhaftes Armutszeugnis, es ist ein erbärmlicher politischer Anblick, den die deutsche Rechte bietet. Ich sage das mit großen Schmerzen.

Wie geht es weiter?

ROHRMOSER: Der Anfang vom Ende der Demokratie liegt darin, wenn alle, die mit den Angeboten der etablierten Parteien nicht einverstanden sind, zu der Überzeugung kommen, daß sie in der Demokratie keine faire Chance haben, selber zur Mehrheit zu werden. Das hat sich in der Weimarer Republik dramatisch bewiesen.


 
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