© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    39/98 18. September 1998

 
Landtagswahl: Warum die CSU Edmund Stoibers gegen den Bundestrend haushoch gewann
Sieg über den rechten Flügel
von Dieter Stein

Die bayerische Landtagswahl bescherte der CSU ein triumphales Ergebnis. Trotz Konkurrenz aus dem bürgerlichen und rechten Parteienspektrum legte die Partei des Ministerpräsidenten Edmund Stoiber noch um symbolträchtige 0,1 Prozent zu, so daß man anhand der Wahlergebnisse sogar von einem Aufwärtstrend sprechen könnte. Zu schaffen machten der CSU vor allem die erstmals angetretenen Freien Wähler: Dort wo diese Partei schwach abschnitt (München und Umland), legte die CSU sogar vier bis fünf Prozent zu.

Der Erfolg der CSU: Sie hat rechtzeitig erkannt, daß ihr die Probleme der Schwesterpartei in Bonn selbst Kummer bereiten werden. Der CSU-Parteichef Theo Waigel muß als Finanzminister im Kabinett Kohl für die Ablösung der D-Mark durch den Euro geradestehen. Und gerade in Bayern sind die Widerstände gegen die Brüsseler Politik besonders groß. Dieses Dilemma drohte für die CSU zu einer Zerreißprobe zu werden. Immer wieder stand auch eine Ablösung Waigels durch Edmund Stoiber zur Diskussion. Doch der Spagat ist nun gelungen. Die bayerischen Wähler haben es Edmund Stoiber abgenommen, daß er das beste tun wird, um bayerische Eigenständigkeit zu bewahren, auch wenn der Euro kommt und der nächste Bundeskanzler Gerhard Schröder heißen sollte. Denn es gibt nichts wichtigeres als die Frage, wer im Maximilianeum regiert – die CSU-Landesgruppe im Bundestag ist schließlich eher so etwas wie eine Ständige Vertretung Bayerns in Deutschland.

Die CSU hat es erfolgreich geschafft, ihre traditionelle Wählerschaft auszuschöpfen. Stoiber hat sich immer wieder demonstrativ vor die Sudetendeutsche Landsmannschaft gestellt und vor Angriffen tschechischer Regierungsvertreter in Schutz genommen. In Bayern hat sich nach 1945 der überwiegende Teil der Millionen von vertriebenen Sudetendeutschen niedergelassen und stellt so den "fünften Stamm" der Bayern dar. Die CSU hat sich ferner bemüht, Terrain in der Ausländer- und Innenpolitik zurückzugewinnen – und es ist ihr gelungen. Stoiber hat es geschafft, mit stetiger Kritik an Brüssel und hinhaltendem Widerstand gegen den Euro das EU-kritische Potential an die CSU zu binden. Den Republikanern und dem Bund Freier Bürger (BFB) konnte es so nicht gelingen, Protestpotential zu mobilisieren. Am Schluß versammelten sich die meisten der grantelnden Bayern doch wieder hinter ihrem Landesvater, dessen Popularität seit der letzten Wahl weiter gestiegen ist.

Die CSU demonstriert, daß Wahlen von einer bürgerlichen Partei nicht nur in der Mitte gewonnen werden. Die CSU hat die Wahl gewonnen, indem sie den rechten Flügel stark gemacht hat. Die Zugewinne insbesondere in Oberbayern und der Stadt München hatten große Bedeutung. Hier wird das Bild der CSU geschärft durch Peter Gauweiler, der sich als Gegner des Euro, restriktiver Ausländerpolitiker, aber auch ökologischer Vordenker profiliert hat. 1993 war Gauweiler noch durch Stoiber als Umweltminister entlassen worden. Seine Entmachtung als Bezirksvorsitzender von München 1995 scheiterte. Seitdem arbeitet Gauweiler an seinem politischen Comeback.

Die bayerische Landtagswahl bedeutet einen empfindlichen Dämpfer für den siegessicheren Gerhard Schröder, der mit stolzgeschwellter Brust durch die Lande zieht, als habe er den Bären (Kohl) bereits erlegt. Der Siegernimbus des Niedersachsen ist angekratzt. Die Deutschen haben, bei allem Frust über den Kanzler selbst, das Gefühl, einer Mogelpackung aufzusitzen, wenn sie Schröder wählen. Wie Bayern gezeigt hat, tendieren die Wähler – durchaus verständlich – bei der Wahl zwischen Sicherheit und Risiko zur Sicherheit. Und darauf setzt die Union beim Schlußspurt bis zum 27. September.

Die Bayernwahl hat aber auch die Hoffnungen bürgerlicher Protestparteien zerschlagen, bei der Bundestagswahl zu einem nennenswerten Faktor zu werden. Nun wird die DVU Gerhard Freys zum Finale blasen. Besonders in den östlichen Bundesländern konzentriert sich der Einsatz der nationalen Liste, die hier mit großer Wahrscheinlichkeit an den Erfolg von Sachsen-Anhalt anknüpfen und in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern einziehen wird. Der DVU könnte es sogar gelingen, gerade der PDS Stimmenverluste zuzufügen, die sie aus dem Bundestag katapultieren könnte.

Stoiber ist der neue starke Mann der Union. Er hätte das Zeug zum Kanzlerkandidaten – nur ist es jetzt für die Union zum Pferdewechsel zu spät.


 
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