© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    36/98 28. August 1998


Landtagswahl Bayern: Kleine Parteien als Königsmacher
Zünglein an der Waage
Von Volker König 

Sie sind zahlreich, und sie sind allesamt ein Stachel im Fleisch der CSU: Die kleinen bürgerlichen, konservativen und rechten Parteien, die sich am 13. September bei der bayerischen Landtagswahl dem Wahlbürger auf dem Stimmzettel präsentieren. Neben einigen weitgehend chancenlosen Gruppierungen, die nur in einzelnen Bezirken antreten, bewerben sich flächendeckend die Republikaner, der Bund Freier Bürger (BFB), die Bayernpartei (BP), die Ökologisch Demokratische Partei (ÖDP) und die Freien Wähler. Allerdings haben nur die Republikaner und die Bayernpartei sämtliche 105 Stimmkreise mit Kandidaten besetzt.

Vertraut man jüngsten Umfragen, werden auf diese fünf Parteien rund 15 Prozent der Stimmen entfallen. Ob die Streuung dieses stattlichen Wählerpotentials so ungünstig ausfällt, daß alle unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben, oder aber eine Partei diese überspringt, ist eine der spannendsten Fragen dieser Landtagswahl.

Die Freien Wähler befinden sich nach einem fulminanten Start derzeit im freien Fall. Wurden ihnen bei Ankündigung ihres Wahlantritts um die acht Prozent und damit ein sicherer Einzug ins Maximilianeum zugetraut, so notieren die Freien Wähler in Umfragen jetzt nur noch bei drei Prozent.

Der Bund Freier Bürger, den die Polit-Auguren mit zwei Prozent taxieren, geriet in den letzten Wochen vor allem durch die ungebetene Wahlhilfe Franz Schönhubers in die Schlagzeilen (die JF berichtete). Daß dessen Wahlempfehlung weniger einer plötzlichen Zuneigung zum BFB als vielmehr einem tiefen Haß auf die Republikaner entspringt, ist freilich nur zu offensichtlich. Denn gelingt es den Republikanern in Bayern die Fünf-Prozent-Sperrklausel zu überwinden – und in allen Umfragen pendelt die Rechtspartei um diese magische Zahl –, dürfte sie bei der Bundestagswahl, die zwei Wochen später stattfindet, gegenüber der DVU die Nase vorn haben.

Dies wissen auch die Republikaner, die unter dem Motto "Wir halten, was die CSU verspricht" derzeit alle mobilisierbaren Mittel in die bayerische Waagschale werfen. "In Bayern, unserem Gründungsland, werden wir diesmal den Durchbruch schaffen", ist sich der Bundesvorsitzende Rolf Schlierer sicher. Das Wahlergebnis am 13. September müsse "zum leuchtenden Signal für die Bundestagswahl werden". Der CSU nehme man den national-konservativen Tonfall in Wahlkampfzeiten nicht ab. Der bayerische Ministerpräsident habe "die Sudetendeutschen verraten und die bayerischen Bauern an die Brüsseler Eurokraten verkauft", so Schlierer.

Zum Programm seiner Partei unter dem Motto "Bayern und Deutschland zuerst" meint der bayerische Landesvorsitzende Johann Gärtner: "Die deutschen EU-Zahlungen müssen drastisch reduziert werden. Wir werden konsequent Widerstand leisten gegen die Vernichtung des bayerischen Bauernstandes und gegen die EU-Osterweiterung." Außerdem setzen sich die Republikaner für ein Gesetz zur Beschränkung von Zuwanderung und die Wiedereinführung scharfer Kontrollen an den bayerischen Außengrenzen ein.

Mit diesen Forderungen ernten die Republikaner durchaus Zuspruch. In den meisten Umfragen werden sie zwischen vier und fünf Prozent gehandelt; eine interne Studie der Staatsregierung soll sie sogar bei sieben Prozent sehen. Da Totschweigen immer noch die bessere Strategie als Attackieren ist, schweigt sich Edmund Stoiber in seinen Wahlreden über die Republikaner stets aus.

Wie seit jeher wirbt die traditionsreiche Bayernpartei mit Plakaten, auf denen der stolz aufgerichtete bayerische Löwe, das Landeswappen fest im Griff, vor einem blau-weißen Fahnenmeer posiert. Ein Prozent hatte die BP bei der letzten Landtagswahl erhalten; bis zu drei Prozent traut das Münchner Meinungsforschungsinstitut polis den weiß-blauen Föderalisten um ihren Vorsitzenden Hubert Dorn diesmal zu.

Doch ganz so altkonservativ, wie es das Klischee will, kommt die Bayernpartei nicht mehr daher. In ihrem Wahlprogramm ist nicht von Separatismus oder der Wiedereinführung der Monarchie die Rede, sondern von aktuellen Themen wie der Einwanderung oder der permanenten Kompetenzverlagerung von Länderhoheiten an den Bund und die Europäische Union. Anders als bei den übrigen rechten Parteien spielt bei der Bayernpartei auch die Ökologie eine wichtige Rolle.

Mit den bürgerlichen Ökos von der ÖDP ist sich die Bayernpartei aber nicht grün. Die Bayernpartei nimmt den "Zentralisten" von der ÖDP das Volksbegehren zur Abschaffung des bayerischen Senates übel; die ÖDP ihrerseits betrachtet die Bayernpartei mit Argwohn, weil auf deren Liste diesmal einige Mitglieder der Unabhängigen Ökologen Deutschlands (UÖD) kandidieren.

Die ÖDP, in anderen Bundesländern eher eine politische Randerscheinung, ist während des Endspurtes bei der Landtagswahl zu einem Politikum geworden. Grund: Die bayerischen Grünen sackten in Umfragewerten in dem Maße ab, in dem die ÖDP zulegt. Mittlerweile hat für die Alternativen die Zitterpartie am Rande der Fünf-Prozent-Hürde begonnen. Die ÖDP, der in manchen Umfragen Chancen auf ein Ergebnis mit einer Drei vor dem Komma eingeräumt werden, dürfte somit über die parlamentarische Existenz der großen Schwester entscheiden. In einigen ländlichen Gebieten liegt die ÖDP bereits vor den Grünen. Anfang dieser Woche wartete nun die grüne Spitzenkandidatin Ruth Paulig mit einer überraschenden Erklärung auf: Um der Stimmenzersplitterung im grünen Lager ein Ende zu machen, schloß sie ein künftiges Zusammengehen mit der ÖDP nicht länger aus. "Bei einer großen inhaltlichen Schnittmenge würde ich eine gemeinsame Liste mit der ÖDP bei der Landtagswahl im Jahr 2003 nicht ausschließen", erklärte sie gegenüber dem Nachrichtenmagazin Focus.

Während die übrigen rechten und bürgerlichen Parteien für die CSU und ihr selbstgestecktes Wahlziel "50 Prozent plus X" eine Gefahr darstellen, könnte die ÖDP für die Christsozialen eine nützliche Aufgabe übernehmen. Gelingt es ihr, die Grünen aus dem Landtag zu verdrängen, würde auch ein CSU-Ergebnis unter 50 Prozent für eine komfortable Mehrheit der Mandate reichen.


Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen