© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/98 14. August 1998


Freihandel: Der US-Protektionismus widerspricht eigenen Ansprüchen
Drohen und kassieren
von Ronald Schoeder

Ob als treibende Kraft in der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation oder dem Freihandelsabkommen Amerikas, immer wieder propagieren die USA den Freihandel und fordern den Abbau jeglicher Handelsschranken. So konsequent sie dies gegenüber ihren Handelspartnern in aller Welt tun, so wenig sind sie bereit, diese Forderungen gegen sich selbst gelten zu lassen. Die USA scheuen sich auch nicht, eigene Gesetze exterritorial auszulegen, wenn es ihren Wirtschaftsinteressen nutzt. Mit dem Helms-Burton-Gesetz – benannt nach seinem Initiator, Senator Jesse Helms – wird allen Firmen dieser Welt untersagt, Handel mit Kuba zu treiben. Andernfalls drohen ihnen Sanktionen der US-Regierung. Davon ausgenommen sind die USA: Präsident Bill Clinton verschob die Anwendung des Gesetzes schon mehrfach. Dessen ungeachtet erstellt das US-Außenministerium ein Verzeichnis europäischer Firmen, gegen die im Bedarfsfall Sanktionen verhängt werden können.

Ein von Senator Alfonso d’Amato durchgesetztes Gesetz verbietet wirtschaftliche Beziehungen zu Libyen und dem Iran. In den Bereichen Telekommunikation, Mobilfunk und Satelliten werden ausländische Unternehmen unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit massiv behindert. Innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind die Amerikaner für die meisten Stockungen in den Verhandlungen über den weltweiten Schutz von Investitionen verantwortlich. Hinter dem Schleier moralischer Attitüden verfechten die USA knallhart eigene Wirtschaftsinteressen. Einzelne Bundesstaaten, ja selbst amerikanische Kommunen, errichten willkürlich Handelsschranken. Das kleine Massachusetts schließt beispielsweise alle Firmen von öffentlichen Aufträgen aus, die Handel mit Birma treiben. In New Jersey schreibt ein Gesetz vor, daß beim Bau von öffentlichen Gebäuden sämtliche verwendeten Materialien nationalen Ursprungs sein müssen – vom Zement bis zum letzten Nagel.

Auch durch Diffamierungskampag-nen versucht man die Marktstellung ausländischer Unternehmen auf dem US-Markt zu unterminieren. Ihren Sanktionsdrohungen gegen schweizerische Unternehmen verleihen der Bundesstaat Kalifornien, Staat und Stadt New York, New Jersey und Pennsylvania dadurch Nachdruck, daß sie milliardenschwere Entschädigungsforderungen für Holocaust-Opfer erheben. Interessanterweise gelten die Drohungen aber nicht nur den drei am Handel mit Nazi-Gold beteiligten Banken, sondern ebenso völlig unbeteiligten Firmen. Für den 22. Juli war eine medienwirksame Anhörung im Bankenausschuß des US-Senats anberaumt. Den Vorsitz im Bankenausschuß führte Senator Alfonso d’Amato. Die Schweiz hat konsequenterweise keine Vertreter zu dieser Anhörung entsandt. Zu offensichtlich war, daß es vorrangig nicht um Entschädigungsforderungen, sondern um die Diskreditierung Schweizer Unternehmen in den USA ging.

Keinesfalls verwunderlich ist daher, daß auch deutsche Unternehmen von einer Diffamierungskampagne bedroht sind. Von insgesamt rund 100 (!) deutschen Banken fordern mehrere tausend Holocaust-Opfer in einer Sammelklage vor dem New Yorker Bundesgericht 18 Milliarden US-Dollar Entschädigung. Namentlich genannt sind bislang nicht von ungefähr nur die Deutsche Bank und die Dresdner Bank, die als global player am aktivsten auf dem US-Markt vertreten sind. Dabei unterlagen alle deutschen Banken während der NS-Herrschaft einem Abgabezwang des Staates, wie nach dem Krieg einem der Alliierten. 1975 wurden sämtliche bei den deutschen Banken geführten Konten und Vermögenswerte aus der Vorkiegs- und Kriegszeit an die Bundesschuldenverwaltung abgeführt. Somit wäre alleiniger Adressat potentieller Anspruche der deutsche Staat, nicht jedoch die Banken. Die Höhe dieser Entschädigungsforderungen ist zudem völlig willkürlich. Die Forderung von 18 Milliarden US-Dollar (rund 32 Milliarden Mark) erhob man, weil die den Buchstaben für das Wort "Leben" im Hebräischen zugeordneten Zahlen die Summe 18 ergeben! Hat eine solche Kampagne genügend Medienaufmerksamkeit gefunden und das Image der betroffenen Unternehmen in Mißkredit gebracht, werden sich die Kläger auch diesmal mit einem weit niedrigeren "Entschädigungsbetrag" begnügen.

Die Bemühungen der USA um einen freien Welthandel sind intensiv und verdienen Unterstützung. Sie werden aber konterkariert durch zügellose handelsfeindliche Eiferer vom Schlage eines d’Amato. Diese finden immer neue Vorwände, um ausländischen Firmen auf dem US-Markt durch politisch motivierte Kampagnen Marktchancen zu nehmen.


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