© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/98 17. Juli 1998

 
 
Parteien: In der Berliner FDP bahnt sich Streit um das Wahlkampfkonzept an
Rechte Liberale drohen mit Zoff
Thorsten Thaler

Gut zwei Monate vor der Bundestagswahl droht es in der Berliner FDP zu einem offenen Streit um das Wahlkampf-Konzept zwischen dem wirtschafts- und sozialliberalen Flügel der Partei und den konservativen Nationalliberalen um den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl zu kommen.

In einem internen "Bericht zur Lage der Partei", der der jungen freiheit vorliegt, heißt es, über die grundsätz-lichen Konzept-Unterschiede werde es "vermutlich noch vor der Sommerpause zu einem Konflikt im Landesvorstand kommen". Dabei werde sich auch entscheiden, ob das innerparteiliche "Integrationsmodell", das eine Beteiligung von Vertretern der verschiedenen Gruppierungen in den Führungsgremien der Partei vorsieht, in der bisherigen Form weitergeführt werden könne. Unterzeichnet ist das siebenseitige Papier von dem stellvertretenden Landesvorsitzenden Axel Hahn und dem Wahlkampfkoordinator Alexander Fritsch, die beide dem rechten Flügel der Berliner FDP zugerechnet werden.

Wie aus dem Lagebericht hervorgeht, gibt es im Landesvorstand zwei unterschiedliche Auffassungen über das Konzept für die letzte Phase des Wahlkampfes. Der eine Ansatz werde von dem erst seit Mai amtierenden Landesvorsitzenden, dem Bestattungsunternehmer Rolf-Peter Lange, und seiner Stellvertreterin Mieke Senftleben vertreten. Danach habe der Bundestagswahlkampf "keinerlei Verbindung" zum Abgeordnetenhaus-Wahlkampf im kommenden Jahr. 1998 gehe es ausschließlich um die Stimmenmaximierung, weitere Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Wahlkampf 1999 in Berlin seien nicht erwünscht. Lange und Senftleben seien der Meinung, daß die Berliner Parteigliederung der Liberalen lediglich Bonner Vorgaben erfüllen und ansonsten keine Eigenanstrengung erbringen könne.

Die gegensätzliche Position wird von dem Kreis um Hahn und Fritsch vertreten. Sie fordern, den Bundestagswahlkampf dazu zu nutzen, auch den Wahlkampf fürs Abgeordnetenhaus "optimal vorzubereiten". Hierzu gehöre "die Besetzung eines Lebensgefühls", die Einführung eines Leitmotivs sowie eine Botschaft, die "eine Brücke vom Bundestags- zum Abgeordnetenhaus-Wahlkampf schlagen kann". Das Ziel müsse es sein, einen eigenständigen Berliner Wahlkampf zu führen und die "publizistischen Möglichkeiten" in den Monaten bis zur Bundestagswahl zu nutzen, Leitmotive einzuführen, die im Abgeordnetenhaus-Wahlkampf aufgegriffen werden und erst dadurch ihre Wirkung entfalten könnten.

Zu den politischen Perspektiven heißt es in dem Bericht weiter, wenn sich die Position von Lange und Senftleben durchsetzen sollte, sei dem Integrationsmodell im Landesvorstand und in der gesamten Partei die Grundlage entzogen. "In diesem Fall werden wir über unsere Position und unsere Handlungen innerhalb und außerhalb der Partei neu nachdenken", drohen Hahn und Fritsch den Bruch mit ihren innerparteilichen Gegnern an.

Unzufrieden zeigen sich die beiden Nationalliberalen auch über die Zusammenarbeit im Landesvorstand. Seit dem Amtsantritt von Rolf-Peter Lange "finden praktisch keine politischen Grundsatzauseinandersetzungen mehr statt", heißt es in dem Bericht. Die Parteiführung konzentriere sich statt dessen auf operative Fragen und sachorientierte Diskussionen. Insgesamt werde der Landesvorstand "zunehmend entpolitisiert". Maßgebliche Entscheidungen würden in die Wahlkampfkommission verlagert. Der bisherige Wahlkampf verlaufe "äußerst schleppend". Der Landesvorsitzende habe kaum einen "eigenen politisch-inhaltlichen Impetus", heißt es in dem Bericht. "Durch Konzentration auf technische Fragen (wieviele Plakate, welche Termine) wird der Landesvorstand als politisches Führungsgremium weiter entwertet und auf eine Art Oberstes Organisationsbüro reduziert", klagen Hahn und Fritsch.


 
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