© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/98 10. Juli 1998

 
 
Rechtschreibereform: Kläger ziehen Verfassungsbeschwerde zurück
Letzte Hoffnung Volksentscheid
Thorsten Thaler

Der Weilheimer Deutschlehrer Friedrich Denk, einer der prominentesten Kritiker der Rechtschreibreform, hat die Rücknahme der Verfassungsbeschwerde gegen das umstrittene Regelwerk "im wohlverstandenen Interesse aller" begrüßt. Wenn das geplante Urteil nicht wie vorgesehen am 14. Juli verkündet werde, erklärte Denk, erspare sich das höchste deutsche Gericht die "Blamage eines krasses Fehlurteils". Ein solches Urteil habe sich nach den "skandalösen Indiskretionen" der vergangenen Woche, die eine "Kungelei zwischen Bonn und Karlsruhe" vermuten ließen, abgezeichnet.

Die Frankfurter Rundschau und das Münchner Nachrichtenmagazin Focus hatten unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Bonner Quellen übereinstimmend berichtet, daß das Bundesverfassungsgericht die Klage gegen die Rechtschreibreform zurückweisen werde. Daraufhin zogen die beiden Kläger, das Lübecker Anwaltsehepaar Thomas Elsner und Gunda Diercks-Elsner, ihre Beschwerde am Dienstag dieser Woche überraschend zurück. Zur Begründung verwiesen sie auf das frühe Bekanntwerden der Gerichtsentscheidung. Mit einem fairen Verfahren sei unter diesen Umständen nicht mehr zu rechnen gewesen, erklärten die Kläger. In der Verfassungsbeschwerde hatten sich die Eheleute auf eine Verletzung ihres Erziehungsrechts berufen. Vertreten wurden sie dabei von dem Jenaer Staatsrechtler Rolf Gröschner. Die Rücknahme der Verfassungsbeschwerde wollte Gröschner "aufgrund nachwirkender Loyalitätspflichten" gegenüber seinen Mandanten nicht kommentieren.

Eine letzte Hoffnung, die Rechtschreibreform doch noch kippen zu können, sehen ihre Gegner jetzt in dem Volksentscheid in Schleswig-Holstein. Die Bürgerinitiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" hatte dafür mehr als 223.000 Unterschriften gesammelt, doppelt so viele, wie erforderlich waren. Nach dem Gesetzentwurf der Initiative sollen in den Schulen des Landes die Rechtschreibregeln unterrichtet werden, die in der Mehrzahl der lieferbaren Schulbücher verwendet werden. Das wären die alten Regeln.

Nach einer Empfehlung des Kieler Landtages soll der Volksentscheid zeitgleich mit der Bundestagswahl am 27. September stattfinden. Den endgültigen Termin legt der Landtagspräsident fest. Für den Erfolg des Volksentscheides sind dann mindestens 528.000 Unterschriften nötig.


 
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