© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/98 03. Juli 1998

 
 
Tätowierungen: Henna-Bemalungen sind der neueste Trend
Vergängliche Kunst
von Jürgen Hatzenbichler

Tätowierungen können theoretisch ja hübsch sein. Auch wenn die meisten es praktisch nicht sind. Aber zumindest eines ist allen Tätowierungen gemeinsam: Sie sind ziemlich haltbar – "bis daß der Tod uns scheide". Meistens ist es nicht der zu erwartende Schmerz, der vor Tätowierungen abschreckt, sondern eben die Endgültigkeit der Entscheidung dafür.

Ganz anders schaut es mit Henna-Bemalungen aus. Diese halten nur zwei bis fünf Wochen. Dann ist der Lack wieder ab. Man kann ein anderes Muster auftragen lassen, wenn man es sich leisten will. Oder man läßt es ganz bleiben; die Haut bleibt weiß. Oder man pausiert einfach mal, bis sich wieder ein passender Anlaß oder die richtige Stimmung ergibt.

Die Kosten für eine Henna-Bemalung stehen aber einer Tätowierung in nichts nach. Rund 100 DM die Stunde ist für ein so kurzweiliges Vergnügen auch nicht wenig Geld. Dafür sehen Henna-Malereien, so sie im traditionellen Stil angebracht sind, wesentlich ästhetischer aus als die meisten Tattoos.

Tradition hat diese Kunst nämlich. In Europa tragen Henna-Bemalungen deswegen auch den indischen Namen "Mehndi". Die Hautmalereien sind aber auch im arabischen Raum weit verbreitet. "Durchgesetzt" hat sich aber die indische Variante, obwohl manches sich sehr ähnlich sieht. Der traditionelle indische Körperschmuck hat seinen Weg über die säkularisierte indische Oberschicht nach Europa gefunden und wird hier zu einem beliebten Bestandteil der Partyszenerie.

In Indien gehören Mehndis zur Kultur. Vor allem die Braut wird mehrere Tage vor der Hochzeit im Kreis der Frauen an Händen und Füßen bemalt. Kleine, fein ziselierte Muster sollen die Braut für den wichtigsten Tag ihres Lebens verschönern. Die hennabemalten Hände spielen auch während der Hochzeitszeremonie eine wichtige
Rolle.

Das Material für Mehndis ist denkbar einfach hergestellt: Das Pulver stammt von getrockneten und zerstoßenen Blättern des Henna-Strauches und wird mit Limonensaft und etwas Eukalyptusöl angerührt. Aufgetragen wird die Farbe mit Pinsel, Stäbchen oder – wenn es ganz feine Muster werden sollen – mit einem Drucktütchen. Alles ist schmerzlos, erfordert nur etwas Geduld, dauert doch allein die Bearbeitung der Hände nach der Mehndi-Methode rund drei Stunden. Die aufgetragene Paste soll dann über Nacht einwirken, dann bröckelt das verkrustete Henna entweder ab, oder es wird über einem Nelkendampfbad abgerieben. Das imprägniert dann die Haut noch etwas. Das Mehndi soll so länger halten. Die Farbwirkung auf der Haut der Kundin ist individuell verschieden. Das Spektrum reicht von orange bis dunkelrot, je nach Hauttyp.

In Indien gibt es Henna-Bemalungen jedoch nicht nur für Frauen, auch bei Männern kamen und kommen sie vor. Hier werden sie meist als Kennzeichen für die Kastenzugehörigkeit angebracht. Die Muster sind nicht so fein, meist handelt es sich um diverse Sonnensymbole auf den Handflächen.

Auch im arabischen Raum hat die Henna-Malerei die gleiche Funktion. Auch hier wird sie meistens von Frauen getragen. Anläße sind hohe Feiertage wie Hochzeiten oder Geburtstage. Vielfach dienen die Bemalungen durch ihre genau bestimmten Muster auch als Kennzeichen der Stammeszugehörigkeit. Henna-Bemalungen variieren dabei mit bleibenden Tätowierungen, letztere werden vor allem von Frauen getragen, die stark manuell tätig sind. Henna-Bemalungen würden sich sofort abnützen.

Daß in der westlichen Welt Mehndi zu einem Erfolg wird, dafür sorgen schon gewisse Stars, die die Hand- und Fußbemalungen bei Otto-Normalverbraucherin popularisieren.

So wurde die amerikanische Popsängerin Madonna anläßlich ihrer letzten CD mit Henna bemalt gesehen. Die Schauspielerinnen Liv Tyler und Demi Moore haben sich ebenso bemalen lassen wie das Modell Naomi Campbell. Und in heimischen Landen gibt es schon mehrere Studios, die Hennabemalungen anbieten, auch wenn in Österreich der Trend noch nicht voll durchgeschlagen hat.

Immerhin gibt es aber im Bereich der Körperkunst schlimmeres als die vergänglichen Henna-Bemalungen. Piercings und Tattoos hinterlassen Bleibenderes. Die Schönheit der Mehndis hingegen verschwindet nach wenigen Wochen.

Einziger Nachteil ist halt der Preis, der für das vergängliche Kunstwerk bezahlt werden muß.


 
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