© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/98 26. Juni 1998

 
 
Telefonieren: Ron Sommers Telecomics sprechen mit uns die Sprache der Sieger
Let´s talk Pidgin-Deutsch
von Ilse Meuter

Erst der Quatsch mit der Rechtschreibreform und nun: Do you speak Telekom? Der "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache" schlägt Alarm. Grund: Ron Sommer, der Konzernchef, lasse zuviel englische Wörter verwenden. Ein Vereinsmitglied aus dem sektenreichen Wuppertal will vor Gericht erreichen, daß die Telekom zur Landessprache zurückkehrt.

Bis dahin zahlt er seine Gebühren mit britischen Pfund. Der Vereinschef, Professor Walter Krämer, warnt gar vor einer "Verhunzung unserer herrlichen Sprache zu einem Schimpansendeutsch". Derlei ist in bisherigem BRD-Kontext nachgerade revolutionär. Heuss, Heinemann und Herzog beschworen ihn eher bigott in ihren tausend Reden, doch hier ist er endlich – der zivile Ungehorsam!

Auch im Badischen regt sich Widerstand. Der Direktor des Mannheimer Instituts für deutsche Sprache, Professor Gerhard Stickel, schrieb dem xenoglotten Ron einen harschen Brief, in dem er die "Verwendung englischer Schicki-Micki-Vokabeln" auf den Formularen der Telefongesellschaft rügt. Ortsgespräch heißt "CityCall", nationales Ferngespräch "GermanCall" und Auslandsverbindung "GlobalCall". "Wir dürfen uns nicht jeden verbalen Quatsch gefallen lassen", kritisiert Stickel, "die Leute fühlen sich veralbert und verstehen nicht, was gemeint ist. Wir fordern verständliche Rechnungen." Denn immer noch verfügen mehr als 50 Prozent der Wohnbevölkerung über keinerlei Englischkenntnisse, in Mitteldeutschland sind es gar 75 Prozent. Zudem: welche City wird mit welcher verbunden, wenn man von Berlin-Kreuzberg nach Berlin-Spandau anruft? Warum heißt das derzeit begehrteste Baby jedes BR-Deutschen "Handy"? Hielt man den Hörer früher mit dem Fuß? Wer "callt" (ruft) schon, wenn er faxt? Wer löhnt für einen bloßen call?

Der smarte Ron Sommer reagiert mit einem "So what?" Heute, so der bei seiner vorherigen Firma umstritten ausgeschiedene Ober-Telekommunikator, täten das doch alle. Die Deutsche Bahn AG preise ihre "BahnCard", bei Aral sei der "MiniShop" durch den "Superstore" abgelöst worden und der gemeine Reemtsma-Verehrer genieße zur Bewältigung seine "LuckyPäcks". Der Kieler Germanistikprofessor Friedhelm Debus kontert: "Was soll das sein? Engleutsch oder Denglish? Anglizismen sind nur sinnvoll, wenn sie eine Lücke schließen. Und: sie müssen für jeden verstehbar sein." Daran aber hapert’s. Am Kölner Bahnhof wurde ein Ehepaar vom "InformationPoint" zum "ServicePoint" geschickt: verunsichert gingen die beiden Alten lieber gleich nach Hause. Sie ließen den City-Snack links, die Citi-Bank rechts liegen, kauften weder Happy Möbel zum Set-Preis, noch Underwear oder ein Outdoor Outfit. Sie verpaßten so den Texpoint im Basement, das Workout zwecks Body-contouring im Fitnessroom, das Piercing-Center und den Barber Shop mit Lady’s Department. Wie kann Opa ohne Copy Shop, Coffee Shop und TobaccoShop leben? Zumal alle Shops open sind und der After-Christmas-Sale schon begonnen hat? Ohne Pocket Pen ist er hilflos wie ein Two-in-one im update. Oma muß sehen, wie sie ohne Superlift Diffusor mit dem HairStyling zurechtkommt – abends, wenn sie ihre Daily soap guckt und der smarte Anchorman im Sky Channel die geilen Midnight movies promotet. Beide verpassen sie wahre Shopping Highlights, Events, etwa die Baywatch Bodyguard caps für Kids on air. Beide werden sie nie zu Finishern in der Worldwide competition um das übelste Reklame-Rotwelsch, no game no win, that’s the real reality in Television. Beide maken sie no things better, wie der kindly user, der in seinem virtual office ein Öko-Greenteam bildet, ohne fuckin’ loser: the winner takes it all – give Aids a chance!

Ganz anders gehen die Uhren in Frankreich. Dort steht seit dem Sprachgesetz von 1994 sogar der "Sandwich" auf dem Index. Mitarbeiter öffentlicher Einrichtungen müssen mit Strafen rechnen (Gefängnis bis zu 6 Jahren!), wenn sie Vokabeln benutzen, die von der Académie Française nicht zum französischen Wortschatz gezählt werden. Entsprechend schätzt Gallien seine Kultur, müssen doch mindestens 40 Prozent des von 6.30 bis 22.30 Uhr gesendeten Medienprogramms aus französischsprachigen Produktionen bestehen. Daher ein kleiner Tip für französische Telekom-Konkurrenten: wie wär’s mit dem Werbeslogan "Bei uns garantiert: Verkehrssprache Deutsch"? Und, last not least: Die Freiheit des Marktes, sprich das Colt-Recht des Stärkeren, sollte selbst im sogenannten Westen nicht das letzte Wort haben dürfen. It’s only culture, but I like it!


 
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