© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/98 26. Juni 1998

 
 
Fusionen: Wie das EU-Kartellrecht Firmenzusammenschlüsse regelt
Mangelhafte Transparenz
von Bernd-Thomas Ramb

Mit dem Start der Euro-Währung am 1. Januar 1999 wird ein erstes Kuppelprodukt des Maastrichter Vertragswerkes in Kraft treten: Die EU-konforme Überarbeitung des deutschen "Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkung" (GWB). Die mehr als drei Jahre diskutierte Änderung des "Kartellgesetzes", so die verkürzte Diktion, ist ebenso zwingend wie bei zahlreichen anderen nationalen Gesetzestexten, die aufgrund des Maastricht-Vertrags einer europäisierenden Nivellierung unterzogen werden müssen. Mindestens 80 Prozent der deutschen Gesetze werden die Brüsseler Vorgaben betreffen.

In der Grundtendenz wird das neue deutsche Kartellgesetz scheinbar großzügiger ausfallen als zuvor. Gerade die deutsche Industrie hatte bislang heftig beklagt, ihr würde durch die strenge deutsche Wettbewerbsnorm ein Wettbewerbsnachteil gegenüber dem Ausland entstehen. Formell wird das EU-Kartellverbot zwar vielfach rigider gestaltet – Kartelle sind nun schon bei ihrem Abschluß verboten und nicht erst, wenn sie praktiziert werden, Rabatt-, Ausfuhr- und Einfuhrkartelle nicht mehr als Ausnahmen erlaubt –, die EU hat sich jedoch ein Hintertürchen offen gehalten. Durch die Einführung eines Freistellungstatbestands kann die EU-Behörde mehr oder weniger willkürlich Kartelle dennoch zulassen. Per administrativem Dekret werden somit Ausnahmeregelungen ermöglicht. Allerdings nur – so die EU –, wenn dies zu keiner Marktbeherrschung führt.

Ähnliches trifft bei der Fusionskontrolle zu. Auch hier ist die Frage der Marktbeherrschung entscheidend. Jedoch wurden, um sich die lästigen Bagatellfälle vom Hals zu schaffen, die Eingriffsschwellen kräftig erhöht. Bisher galt ein Überschreiten von 500 Millionen Mark Gesamtumsatz als Anlaß zur nachträglichen Kontrolle, nun sind es eine Milliarde Mark. Aber auch bei der erhöhten Summe wird nur eingegriffen, wenn eines der beteiligten Unternehmen mehr als 50 Millionen Umsatz allein tätigt. Viele kleine
dürfen also zusammenkommen.

Widersprüchlich wirkt der neue Passus bezüglich des Mißbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung – soll sie doch eigentlich überhaupt nicht erst entstehen. Seit Bill Gates weiß man jedoch, daß sich einzelne Unternehmen durchaus auch ohne Mittel der Fusion oder des Kartells in marktbeherrschende Position aufschwingen können. Eben diese kann künftig behördlich festgestellt werden und zu amtlichen Mißbrauchsverfügungen führen. Erfreulich mag da klingen, daß künftig auch unter Umgehung der Kartellbehörde direkt dagegen geklagt werden kann. Die administrative Vorarbeit bleibt jedoch Vorbedingung: Nur die Brüsseler Staatsbürokratie entscheidet somit, ob ein Mißbrauch vorliegt oder nicht.

Die delikate Frage, wer wann und unter welchen Voraussetzungen über den Tatbestand der potentiellen oder tatsächlichen Marktbeherrschung entscheidet, bleibt auch unter der von Brüssel diktierten Reform des deutschen Kartellgesetzes unzureichend und unbefriedigend beantwortet. Es schleicht sich ein verstärktes Unbehagen ein, daß angesichts der mangelhaften Transparenz der Gesetzeslogik der große Ermessens- und Entscheidungsspielraum der Kartellbehörde zur verkappten Industriepolitik führen könnte – ein im Maastricht-Vertrag ohnehin bereits verankertes Politikziel der EU.

Sicherlich ist die Entscheidung, ob eine marktbeherrschende Stellung vorliegt oder nicht, stets schwer zu fällen. Ein Unternehmen mag auf der nationalen Ebene Monopolist sein. Unter Bezug auf den EU-Binnenmarkt kann es sich dennoch als klein darstellen, auch wenn dieser Binnenmarkt faktisch nicht bestehen mag. In diesem Falle dürfte eine Abmahnung fruchtlos sein, widerspricht sie doch der ideologischen Vorstellung, ein EU-Binnenmarkt habe einfach zu existieren, seine Nichtexistenz könne nicht sein, weil sie nicht sein darf. Wird einem anderen Unternehmen dagegen auf der europäischen Ebene Monopolgröße attestiert und seine Zerschlagung gefordert, kann dieses Unternehmen möglicherweise auf dem Weltmarkt nicht mehr konkurrieren. Eine verzwackte Angelegenheit, die durch den postulierten EU-Binnenmarkt nicht einfacher geworden und nun durch die Kartell-Novelle der verschärften Willkür ausgesetzt ist.

Der österreichische Nationalökonom Friedrich August von Hayek war der Meinung, ein Monopol, das aus einem reinen Marktwirtschaftsprozeß entstanden ist, sei ökonomisch effizient. Schädlich wären nur die staatlichen oder staatlich sanktionierten und subventionierten Monopole. Gerade diese aber werden mit dem neuen EU-angepaßten Kartellgesetz mehr denn je ermöglicht. Die ersatzlose Streichung des Gesetzes wäre demnach die bessere Änderung gewesen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen