© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/98 26. Juni 1998

 
 
Parteien: Die Basis der Freiheitlichen reagiert zunehmend nervös auf die Skandale der letzten Monate
"Auf Jörg Haiders Mist gewachsen"
von Jürgen Hatzenbichler

Die Frau ist erregt. Jahrzehnte hat sie in der FPÖ mitgearbeitet, war auch für die Partei in einem Gemeinderat, und jetzt das: Affäre Rosenstingl und der Wirbel um die finanziellen Transaktionen bei den niederösterreichischen Freiheitlichen. "Das ist doch eine Schweinerei", erklärt die Frau ganz zornig. Die deklarierte Freiheitliche ist nicht die einzige an der FPÖ-Basis, die sich denkt, daß da "kaputt gemacht wird, was wir über Jahre aufgebaut haben". Die Basis bei den Freiheitlichen ist sauer. Sie versteht nicht, wie das passieren konnte, was in Niederösterreich aufgedeckt wurde. Die Basis ist sich aber auch nicht einig darüber, wie man die jetzige Entwicklung zu werten hat.

Die Ex-FP-Mandatarin sieht in der jetzigen Entwicklung eine klare Linie: "Die Partei ist zu schnell gewachsen, die haben ja alles genommen, was sich angeboten hat." Viele Neo-Mandatare in der FPÖ fühlen sich "keinen Idealen verpflichtet". "Und der Haider ist daran mit schuld", meint die Frau. Immerhin sei die freiheitliche Personalpolitik "auf seinem Mist gewachsen".

Für die Kärntnerin ist da auch die Kritik des scheidenden Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreters Karl-Heinz Grasser verständlich: Funktionäre wie Rumpold oder Westenthaler stehen bei den "Idealisten" an der Basis und bei den Gesinnungsfreiheitlichen nicht hoch im Kurs. Da versteht man noch eher die Grassersche Rückzugsentscheidung: "Der wollte eigenständig werden, aber neben Haider kann keiner aufkommen." Freilich sind nicht alle so kritisch wie die Frau, die offen erklärt, die eigene Partei nur mehr zu wählen, "weil sie das kleinste Übel" in der parteipolitischen Landschaft der Republik sei.

Ebenfalls als Katastrophe bewertet ein steirischer FPÖ-Vizebürgermeister gegenüber der Wiener Wochenzeitung Zur Zeit die Vorfälle rund um die Partei, aber er ist gnädig gegenüber seinen Herren: "Das hat einmal kommen müssen. Bei der Größe, die wir erreicht haben, war es klar, daß sich da auch irgendwann einmal ein paar als Lumpen herausstellen." Seine Parteifreunde in der Gemeinde seien zwar auch frustriert, aber die Erregung darüber, wie die Affäre um Peter Rosenstingel von den Medien ausgebeutet wird, schweißt die Klientel doch wieder zusammen. "Ich glaube, das hat reinigende Wirkung", meint der Vizebürgermeister, jetzt würden sich alle wieder zusammenreißen. Im übrigen vertraut man auf den Obmann: "Der Haider wird das schon richten. Und die Mafia-Affären bei den Roten zeigen ja, wie die Relationen wirklich sind."

Einige an der Basis nehmen dem Parteichef die Offensive gegen die "Altparteien" aber nicht ganz ab. "Er hätte klarere Worte im Bezug auf die eigene Partei finden müssen", meint ein Mitglied des Ringes Freiheitlicher Jugend (RFJ) aus Wien. Statt zu zeigen, daß man den Betrugsskandal offensiv aufarbeite, zeige man auf die anderen. "Das mag als Rechnung schon aufgehen, aber besser wäre gewesen, wenn wir hier mehr vor der eigenen Tür gekehrt hätten", so der RFJler.

Viele kleine freiheitliche Funktionäre sind frustriert, weil die FPÖ plötzlich auf der Anklagebank sitzt. Daß da dann der Wirbel um den ausgeschlossenen Wiener FP-Landtagsabgeordneten Rüdiger Stix und der Rücktritt Grassers dazukommen, verunsichert. "Da müssen wir durch", meint der steirische Vizebürgermeister, dem man anmerkt, daß ihm das alles bei seiner Partei sehr peinlich ist. Die deklarierte Gesinnungsfreiheitliche dagegen überlegt sich, ob sie ihre Partei noch wählen kann. Die Masse der Basis schaut entsetzt zu und wartet darauf, daß wieder Ruhe und Ordnung einkehrt, damit die FPÖ in die Offensive gehen kann. Optimismus beim RFJ-Mitglied: "Das alles wird die Freiheitlichen nicht aufhalten können. Außerdem gibt es keine Alternative zur FPÖ."


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen