© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/98 19. Juni 1998

 
 
Parteien: Bund Freier Bürger stellt Programm vor / Brunner bestätigt
Attacken gegen Kohl
von Frank Phillipp

Als "größten Heuchler Bayerns" bezeichnete Manfred Brunner auf dem Bundesparteitag des Bund Freier Bürger (BFB) am vergangenen Wochenende in München den Ministerpräsidenten des Freistaates, Edmund Stoiber. Der bayerische Regierungschef habe die Wähler jahrelang getäuscht und sich als Hüter der stabilen D-Mark aufgespielt. Bei der Entscheidung im Bundesrat über die Einführung des Euro sei er aber sang- und klanglos umgekippt.

Der Euro und die Gefahren einer europäischen Einigung à la Maastricht bleiben für Brunner und seine Partei die zentralen Themen des bevorstehenden Wahlkampfes. Zu den Zielgruppen rechnete er Bundeswehrsoldaten und Polizisten, Vertriebene und Aussiedler.

Heftig attackierte Brunner Bundeskanzler Helmut Kohl, den er mit einer "Grabplatte für die deutsche Demokratie" verglich. Der Bund Freier Bürger bleibe eine "Mitte-rechts-Partei", bürgerlich und liberal-konservativ, mit den Schwerpunkten Freiheit, Marktwirtschaft, Nationalbewußtsein und Wertkonservatismus, erklärte Brunner. "Die Konservativen", ruft der Parteivorsitzende aus, "bewahren nicht die Asche, sondern das Feuer."

Mit langem Applaus begrüßten 250 Delegierte und Gäste im "Löwenbräukeller" den Vorsitzenden der rußlanddeutschen Vereinigung "Heimat", Viktor Bossert. Die Rußlanddeutschen, so Bossert, die über Jahrhunderte in der Fremde das kulturelle Erbe gepflegt hätten, seien bei ihrer Rückkehr nach Deutschland entsetzt gewesen über die geistig-moralische Lage der Gesellschaft. Die CDU/CSU habe sie als "Stimmvieh" ins Land geholt und verweigere nun den Neuankömmlingen die dringend notwendige Sprachschulung.

Am Rande des Parteitages erläuterte der stellvertretende BFB-Bundesvorsitzende, Markus Roscher (34), im Gespräch mit der jungen freiheit den Zustand seiner Partei. Danach habe sich die Mitgliederzahl auf fast 2.400 seit Jahresbeginn annähernd verdoppelt. Auch in den neuen Ländern seien durch die enge Zusammenarbeit mit dem "Landbund" sehr schnell funktionierende Strukturen aufgebaut worden.

Bei den Neuwahlen zum Präsidium gab es keine Überraschungen auf dem Parteitag. Parteichef Brunner und Generalsekretär Heiner Kappel wurden mit überwältigender Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt. Mit der Wahl von Torsten Witt (34) aus Berlin, Kristof Berking (32) aus Hamburg, Julia Kappel (30) und Philipp Byers (18), beide aus Hessen, sowie Julia Voglgsang (23) aus Bayern in den Bundesvorstand zeigt sich die Parteispitze deutlich verjüngt.

Die Jugendorganisation ("Junge Freiheitliche"), die nach Auskunft von Philipp Byers inzwischen Landesverbände in Bayern, Hessen und Berlin gegründet hat, ist durch einen Beschluß des Parteitages zur offiziellen Nachwuchsorganisation der Partei erklärt worden. Zugleich wurde ihr ein eigener Etat zugestanden.

In seiner fast zweistündigen Rede warf der Generalsekretär des BFB, der frühere FDP-Politiker und hessische Landtagsabgeordnete Heiner Kappel, der Bundesregierung ein Versagen auf ganzer Linie vor. Der Wähler erlebe kurz vor den Wahlen zwar eine "Metamorphose ohnegleichen". Es würden Versprechen ohne Ende gemacht, doch er, Kappel, glaube nicht, daß es den Altparteien ein weiteres Mal gelingen werde, die Wähler zu täuschen. "An ihren Taten, nicht an ihren Worten sollst du sie erkennen! Was haben diese Leute geleistet?", rief der Generalsekretär den Delegierten zu und erinnerte an die Abschaffung der D-Mark oder die geplatzte Steuerreform.

Kappel forderte eine spürbare Entlastung der Bürger. Er erhofft sich davon wieder eine größere Steuermoral, eine Abnahme der Schwarzarbeit und vor allem die Schaffung neuer Arbeitsplätze, wie es die USA, Großbritannien und viele andere europäische Staaten vorgemacht hätten.

Zur Frage der Enteignungen zwischen 1945 und 1949 in der SBZ und der angeblichen sowjetischen Bestandsgarantie als Vorbedingung für die deutsche Wiedervereinigung erklärte Kappel: "Wir dürfen dieses Unrecht nicht dulden." Der Staat dürfe nicht zum Hehler werden.


 
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