© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/98 19. Juni 1998

 
 
Malerei: Gespräch mit Odin Wiesinger über Germanen, Vorväter und Mythologie
Ein kultisches Element
von Claus M. Wolfschlag

Der Künstler Odin Wiesinger scheint ganz gegen den Strom seiner Zeit zu schwimmen. Seine in warme Farben getauchten Gemälde zeigen Burschenschafter, typisierte Landschaften oder germanische Götterfiguren. Wiesingers Erzeugnisse scheinen beeinflußt von der Kunst der Jahrhundertwende, von der alpenländischen Tradition und expressionistischen Werken. Die junge freiheit sprach mit dem Oberösterreicher:

 

Herr Wiesinger, wann sind Sie geboren und wie sind Sie zur Malerei gelangt?

WIESINGER:
Ich wurde 1961 in Andorf in Oberösterreich geboren. Bereits in der Volksschule und später am Gymnasium stellten Lehrer mein Talent fest und ermutigten mich weiterzumachen.

 

Wo erfolgte Ihre Ausbildung?

WIESINGER: Ich erfuhr meine künstlerische Ausbildung an der Hochschule für Gestaltung in Linz, in der Meisterklasse für Malerei und Graphik. Zudem besuchte ich während der Ausbildung Bildhauerseminare.

 

Welche Vorbilder bzw. künstlerische Strömungen haben Sie beeinflußt?

WIESINGER: Beeinflußt haben mich Vorbilder und Stile kreuz und quer durch die Kunstgeschichte, von der Antike über die Renaissance bis zum Expressionismus: Dürer, Caspar David Friedrich, Turner, Corot, Millet, Adolf von Menzel, Lenbach. Besonders wichtig wurden später Böcklin, Stuck, Feuerbach, Marées, Hodler, Egger-Lienz, aber auch Beckmann, Munch, Nolde, Werner Berg. Man kann von all diesen Malern lernen, muß für sich und seine eigene Arbeit nur das richtige herausfiltern. Bei den Bildhauern verhält es sich ebenso. Da sind zum Beispiel die grandiosen Werke der Griechen und Römer, die Werke der Renaissance, aber auch die Gotik oder aber weiter zurück die Kunst der "Archaik" in Form der Menhire und Bildsteine. Ebenso hatte ich aber auch Bildhauer zum Vorbild, die maßgeblich für das 20. Jahrhundert waren: Rodin, Maillol, Breker und Barlach.

 

Ihre Vorbilder sind demnach zum größten Teil gegenständlich geprägt und entspringen einem Kunsttraditionalismus, der zeitlich vor der heute dominierenden Strömung modernistischer Abstraktion oder radikal-intuitiver Kunst liegt. Wie bewerten Sie von dieser Basis aus die gegenwärtige offizielle Kunst-Szene?

WIESINGER: Die gegenwärtige, offizielle "Kunst-Szene"? Kurz gesagt, ist das zum überwiegenden Teil für mich die Diktatur des Häßlichen, Minderwertigen, Würde- und Maßlosen! Verschüttete und verschmierte Farbe nach Art der Primaten in der Malerei, Pornographie und Gestammel auf den Bühnen. Das ließe sich in allen Bereichen beliebig fortsetzen. Leider!

 

Tendiert Ihre Kunst eher zum Ekstatischen oder zum Gemessenen?

WIESINGER: Also, ohne Kopfarbeit geht es einfach nicht. Herz und Hand müssen harmonischen Gleichklang entwickeln, nur so kann gute Kunst entstehen.

 

Existieren in Ihrem Umfeld derzeit künstlerische Mitstreiter oder sind Sie eher als sperriger Einzelgänger zu bezeichnen?

WIESINGER: In meiner Generation bin ich ziemlich alleine. In Österreich wird die Galerienszene fast vollständig von einer "Drei-Strich-Drei-Punkt"-Malerei beherrscht. Ins gegenständlich-expressive gehende Strömungen, wie bei dem Bildhauer Alfred Hrdlicka, bilden da eine Ausnahme.

 

Sie haben des öfteren Motive der nordischen Sagen- und Götterwelt in Ihren Werken verarbeitet. Welche Rolle spielt das germanenkultische Element und Naturverständnis in Ihrer Arbeit?

WIESINGER: Die Zeit ist reif für Mythen. Vor allem sollte das für die Mythologie der eigenen Vorväter gelten. Ich stelle den Anspruch auf ein "back to the roots" auch für mich. Neben griechischer und römischer Mythologie findet nun die der Kelten und Germanen verstärkt Einfluß in mein Werk, beziehungsweise meine Motivwahl, da es sehr viele Kreuzungspunkte, also Überschneidungen, in den europäischen Urreligionen und Sagen gibt. Wenn man das, was ich mache, als Tradition bezeichnen will, dann nur als Teilaspekt. Ich persönlich würde es – gesamtheitlich gesehen – eher als Renaissance bezeichnen. Ich betrachte das Malen an sich als kultisches Element, im Sinne von Handlung und Naturverständnis.

 

Sehen Sie sich hier in einer Künstlertradition beispielsweise eines Franz Stassen oder Ludwig Fahrenkrog?

WIESINGER: Leider kennt man sehr wenig von Stassen, Fahrenkrog und anderen, aber das, was ich zum Beispiel in Bayreuth gesehen habe, hat mich sehr beeindruckt.

 

Ihre neueste Arbeit ist ein Bildzyklus aus ca. 30 Ölgemälden und -studien zur Revolution von 1848. Wie wurde dieses Werk im Jubiläumsjahr von der Öffentlichkeit aufgenommen?

WIESINGER: 1848 ist ein sehr spezifisches Thema, welches anscheinend nur einen bestimmten Teil der Öffentlichkeit interessiert. Zumindest in Österreich. Ich gelangte zu der Thematik durch meine Sorge über das massive Sterben der Bauernhöfe bei uns im Innviertel durch eine verfehlte EU-Politik. Ich sagte zu mir: "Es müßte mal wieder einen Bauernaufstand geben" und wollte einen Zyklus zu den Bauernkriegen malen. Dann kam ich durch das Jubiläumsjahr aber zur näher liegenden Revolution von 1848 als Sinnbild für meine "persönliche Revolution" gegen bestimmte gesellschaftliche Zustände. Bei den meisten Medien allerdings, darunter der ORF und die Oberösterreichischen Nachrichten, fiel meine Arbeit unter die Schweigespirale. Man hat nicht einmal Ankündigungen zu den Ausstellungen gebracht, von Berichten darüber ganz zu schweigen. Nun heiße ich Odin und bin zudem Mitglied in einer Pennalen Burschenschaft. Ob deswegen also das offizielle Schweigen an meiner Person liegt oder am Thema generell, ist mir noch nicht ganz klar. Soviel über die Pressefreiheit und Informationsvielfalt unserer unabhängigen Medien.

 

Kann man von der Malerei heute leben?

WIESINGER: Auf diese Frage antworte ich meist mit: "Ich habe nichts anderes gelernt, also versuche ich davon zu leben, so wie jeder andere auch, der etwas gelernt hat." Warum man aber nur Künstlern diese Frage stellt, ist für unsere Zeit anscheinend typisch. Ich selbst würde nie auf die Idee kommen, zum Beispiel einem Lehrer – viele sind ja arbeitslos und warten auf eine Anstellung – oder anderen Berufssparten diese Frage zu stellen.

Kontakt: M. Odin Wiesinger, Atelier in der alten VS, A-4770 Andorf


 
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